
KI: Hoffnungsträger und Klimabelastung zugleich
Künstliche Intelligenz steckt längst in unserem Alltag, doch sie hat einen versteckten Preis: Der Energieverbrauch von KI-Anwendungen ist enorm und oft intransparent. Gleichzeitig könnte KI helfen, Ressourcen effizienter zu nutzen und CO₂-Emissionen zu senken. Wir haben mit Dr. Ricardo Chavarriaga, Leitung der Responsible AI Innovation Group am Centre for Artificial Intelligence der ZHAW über dieses Spannungsfeld gesprochen. von Noemie Keller
25.07.18 KI und Nachhaltigkeit
Viele von uns nutzen Tools wie ChatGPT, Midjourney oder Gemini regelmässig als persönliche Assistenzsysteme. Allein ChatGPT zählt inzwischen rund 800 Millionen wöchentliche User weltweit.
Doch was für uns nur ein schnelles Tippen ins Smartphone ist, verbirgt einen massiven infrastrukturellen Aufwand. Jede unserer Anfragen wird in einem Rechenzentrum verarbeitet und diese Rechenzentren sind energie- und wasserintensiv: Sie benötigen enorme Mengen Strom und Kühlung, um KI-Modelle nicht nur bereitzustellen, sondern auch kontinuierlich zu trainieren.
Rechenzentren betreiben natürlich nicht nur KI-Dienste: Auch beispielsweise das Streamen von Netflix oder Google-Searches. Doch mit dem Boom von KI steigt auch der Energieverbrauch. Bereits jetzt verbrauchen Rechenzentren so viel Energie wie ein kleines Land. Laut einem Bericht der International Energy Agency könnte sich der Energieverbrauch von Rechenzentren weltweit bis 2030 verdoppeln und auf ein Niveau steigen, das dem heutigen Verbrauch von ganz Japan entspricht, einem der zehn energieintensivsten Länder der Welt. Wie viel Energie KI aber tatsächlich verbraucht, ist unklar. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass eine Anfrage an ChatGPT zehnmal so viel Energie verbraucht wie eine klassische Google-Suche. Andere schätzen den Unterschied nur minimal.
Das Problem: Transparenz fehlt. Unternehmen wie OpenAI geben nur eingeschränkt Auskunft darüber, wie viel Energie ihre Systeme tatsächlich verbrauchen. Selbst wenn der CEO von OpenAI einmal angab, dass eine ChatGPT-Anfrage rund 0,34 Wattstunden benötige, das entspricht ungefähr dem Energieverbrauch eines Ofens in etwas mehr als einer Sekunde, bleibt offen, was genau in diese Berechnung einfloss. Ohne detaillierte Daten lässt sich der ökologische Fussabdruck von KI schwer beziffern und ebenso schwer regulieren.
Aber KI und Nachhaltigkeit sind nicht nur ein Gegensatz. KI bietet auch enormes Potenzial, Ressourcen effizienter zu nutzen: zum Beispiel beim Monitoring von Energieverbrauch, der Optimierung von Prozessen oder der Vorhersage von CO₂-Emissionen. Laut Studien des Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment und Systemiq könnte KI in Branchen wie Lebensmittelproduktion, Energie oder Transport weltweit bis 2035 zwischen 3,2 und 5,4 Milliarden Tonnen CO₂ jährlich einsparen, eine relevante Entlastung für das Klima.
Am Ende bleibt die Frage: Wie schwer wiegt der mögliche Nutzen von KI für Nachhaltigkeit im Vergleich zu ihrem eigenen Ressourcenverbrauch? Die Antwort ist komplex und betrifft alle: Organisationen, Unternehmen, Regierungen und uns als Einzelpersonen. KI bietet enorme Chancen für eine nachhaltigere Welt und gleichzeitig braucht es handfeste Daten, damit wir überhaupt verstehen, wie viel Ressourcen KI verbraucht, bevor wir sie wirklich nachhaltig einsetzen können.
Die Verantwortung sollte liegt nicht bei uns Nutzer:innen alleine und dennoch können wir mit unserem Nutzungsverhalten einen Einfluss üben. Deshalb ist es wichtig, dass wir verstehen, wie diese Systeme überhaupt funktionieren und bewusst entscheiden, wann ihr Einsatz sinnvoll ist. Zum Beispiel: Wer lediglich die Öffnungszeiten eines Geschäfts recherchieren will, sollte vielleicht nicht ChatGPT bemühen, sondern lieber direkt eine klassische Google-Suche durchführen. Denn generative KI-Modelle liefern nicht nur potenziell fehlerhafte Ergebnisse, sondern verbrauchen für einfache Aufgaben unnötig viel Energie.
KI muss nicht für alles herhalten. Bewusste Entscheidungen im Alltag können einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten: zur Reduzierung von Belastung und zu einem nachhaltigeren digitalen Umgang.