Woche gegen Rassismus 2019
Gericht im Ausstand: Befangenheit bei den Basel Nazifrei-Prozessen
Das Appellationsgericht Basel schickt sieben Strafrichter:innen in den Ausstand. Sie erwecken den Anschein von Befangenheit in den Basel Nazifrei-Prozessen. Radio X spricht mit dem Verteidiger Andreas Noll und dem ehemaligen Strafrichter Peter Albrecht. von Ben Haab
24.05.08 Gericht im Ausstand
Das Appellationsgericht Basel schickt sieben Strafrichter:innen in den Ausstand. Sie erwecken im Fall Basel Nazifrei den Anschein von Befangenheit.
Das Appellations-Gericht habe mutig entschieden, als es sieben Richter:innen in den Ausstand geschickt habe wegen des Verdachts auf Befangenheit, meint Andreas Noll, einer der Anwält:innen der Kläger:innen. Doch von vorne, worum geht es?
2018 demonstrierten in Basel 2000 Menschen gegen die rechtsextreme Partei Pnos. Die Demonstration eskalierte und es flogen Steine. Im Nachhinein zeigten Videoaufnahmen, dass es die Polizei war, welche die Eskalation provozierte. Mit Gummischrot schoss sie in die Menge – als Ablenkungsmanöver, um die Rechtsextremen vom Platz zu führen. Zum Zeitpunkt, als das Video, das die Eskalation dokumentiert, publik wurde, liefen bereits diverse Verfahren gegen Demonstrierende, die sich gegen die Pnos versammelt hatten.
Vom BAZ-Interview…
Ein Urteil löste ein besonderes Medienecho aus. Der Richter René Ernst sprach für eine junge Frau, die nachweislich nur an der Demonstration teilgenommen hatte, eine Strafe von 8 Monaten unbedingt aus. Dieses Urteil wurde als zu hart kritisiert, unter anderem vom emeritierten Strafrechtsprofessor und ehemaligen Richter Peter Albrecht, der auch in diesem Beitrag zu hören ist. René Ernst rechtfertigte das Urteil darauf hin öffentlich in einem Interview in der BAZ. Die aussergewöhnliche Aktion – Richter:innen begründen ihre Urteile nur schriftlich, am Ende eines Prozesses – sollte ein juristisches Nachspiel haben. Die Verteidiger:innen ziehen vor das Appellationsgericht, um die Richter:innen des Strafgerichts in den Ausstand zu schicken. Der Vorwurf: Befangenheit. Da René Ernst die Demonstration insgesamt beurteilt habe und nicht nur den spezifischen Fall und da noch diverse weitere Verfahren hängig seien, könnten die übrigen Richter:innen nicht mehr unbefangen urteilen. Vor dem Appellationsgericht blitzten die Verteidiger:innen zuerst ab. Erst ein Urteil des Bundesgerichts zwang das Appellationsgericht, sich dem Fall anzunehmen und die Frage zu klären, ob die Richter:innen befangen seien.
… zum Protokoll der internen Absprache
Bei dieser Untersuchung bestätigte sich ein Verdacht, der schon länger gehegt wurde: Die Richter:innen haben sich intern abgesprochen. Im Frühling 2021 machte die Wochenzeitung bereits interne E-Mails publik, die auf interne Absprachen hindeuteten. Der Richter René Ernst stritt jedoch immer ab, dass diese über kurze Gespräche am Kaffeeautomaten hinausgegangen seien. Im Sommer 2023 reichte das Strafgericht dann allerdings ein 12 Seiten langes Protokoll beim Appellationsgericht Basel ein, das eine Sitzung dokumentiert, in dem die 7 Richter:innen sich auf eine gemeinsame Linie einigten. Auch darüber, dieses Protokoll einzureichen, scheint es Absprachen gegeben zu haben, wie der Verteidiger Andreas Noll im Gespräch mit Radio X erklärt. Für den ehemaligen Richter Peter Albrecht scheint es klar, dass man versucht habe, diese Absprachen zu vertuschen. Er hofft, dass das Strafgericht aus dieser „Dummheit“ etwas lerne und künftig die rechtsstaatliche Sensibilität an den Tag legt, die man von Strafrichter:innen eigentlich erwarten könnte.
Ist der Justizskandal damit beendet?
Die Prozesse rund um die Basel Nazifrei Demonstration von 2018 werden die Justiz weiter beschäftigen. Wie lange sie noch dauern werden, lässt sich noch nicht sagen, meint Andreas Noll. Auch ist das Urteil noch nicht rechtskräftig und könnte theoretisch von beiden Seiten noch angefochten werden. Mit den 7 Richter:innen im Ausstand verbleiben nur noch 3 Richter:innen am Strafgericht, die im Fall Basel Nazifrei nicht den Anschein von Befangenheit erwecken. Die Verteidigung strebte aufgrund der persönlich-beruflichen Nähe der verbleibenden drei zu den befangenen Richter:innen eine ausserkantonale Abwicklung der Prozesse an. Dieser Forderung ist das Strafgericht nicht nachgekommen.
Dass das 12-seitige Protokoll der internen Absprache der Richter:innen erst nach dem Urteil vom Bundesgericht beim Appellationsgericht eingereicht wurde, wirft nicht das beste Licht auf das Basler Strafgericht. Bestehen bleibt auch die Frage, ob die verbleibenden drei Richter:innen noch mit der notwendigen Unabhängigkeit an die Basel Nazifrei-Fälle gehen können. Hängig ist darüber hinaus eine ausserkantonale Untersuchung gegen die Basler Staatsanwaltschaft, wegen Beweismittelmanipulation. Ganz ist der Basler Justizskandal mit dem Ausstand der möglicherweise befangenen Richter:innen also noch nicht vom Tisch.
Die Woche
Lesungen, Theater, Diskussion, Musik, Ausstellungen und vieles mehr: Die Woche gegen Rassismus 2019 in Basel bietet ein vielfältiges Programm, sie findet statt von: Montag, 18. März bis Sonntag, 24. März 2019
Radio X setzt in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen und Beteiligten ein Zeichen gegen Rassismus und andere Formen von Diskriminierung. Ziel ist es, die lokale Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und gemeinsam in einen Dialog zu treten.
Während der ganzen Woche strahlt Radio X jeweils um 11:30 Uhr und um 16:30 Uhr thematische Beiträge aus.
Flyer Woche gegen Rassismus in Basel 2019
Medienmitteilung Woche gegen Rassismus 18.-24.3.19 mit Programm
Das Programm
Montag, 18. März 2019
Forumtheater "Sans Frontières" - Ein interaktiver Theaterabend zum Thema Diskriminierung und Rassismus.
19.30 Uhr, KLARA (Clarastrasse 13)
Eintritt frei.
Dienstag, 19. März 2019
Uni von unten: «Alltäglicher Ausnahmezustand: Racial Profiling in der Schweiz» mit Mohamed Wa Baile, Sarah Schilliger und Claudia Wilopo
19 Uhr, Internetcafé Planet 13 (Klybeckstrasse 60, 4057 Basel)
Eintritt frei.
Mittwoch, 20. März 2019
Liveübertragung Radio X, mit Interviews live vor Ort: Abendschule Import, Bla*Sh, Theater Niemandsland, Kulinarisches von Schnaboule Schnaboule und Musik zum Thema «Migration und Musik» mit Leila Moon.
17-22 Uhr, Keck Kiosk (Kaserne)
Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz
ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)
Donnerstag, 21. März 2019
Podiumsdiskussion «Racial Profiling» mit szenischen Sequenzen des Theaters Niemandsland.
Auf dem Podium: Michel Hostettler (Community Policing Kleinbasel), Tobias Burkhard (Ausbildungsleiter KaPo BS), Nahom Mehret (Schweizer, geb. in Eritrea), Yvonne Apiyo Brändle-Amolo (SP Politikerin Zürich, Künstlerin).
Moderation: Bernard Senn, SRF
Mit dabei: BastA!, STOPP Rassismus u.a.
19 Uhr, Offene Kirche Elisabethen
Eintritt frei.
Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz
ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)
Freitag, 22. März 2019
Bla*Sh, Legion Seven, Brandy Butler (CH)
Mehrstimmige Lesung, Performance, Konzert, Büchertisch
19 Uhr (Doors: 18.30 Uhr), Rossstall II, Kaserne Basel
Eintritt frei.
Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz
ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)
Samstag, 23. März 2019
Afrika-Stadtrundgang des Zentrums für Afrikastudien
The tour will take place in English and is free of charge. Reservations are requested but not required.
14 Uhr, meeting point: at the pyramides in front of the Offene Kirche Elisabethen
Offener Hörsaal: Interaktiver Parcours**, über Hürden und Weichen auf dem schweizerischen Bildungsweg
16.00-18.30 Uhr, Foyer Junges Theater Basel
Eintritt frei.
Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz
ab 19 Uhr
Input: Wie die Schweiz Migrant*innen 2019 isoliert und verwaltet.
20 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)
Sonntag, 24. März 2019
Afrika-Stadtrundgang des Zentrums für Afrikastudien auf Deutsch
14 Uhr, Treffpunkt: Pyramiden-Platz (Elisabethenstrasse)
Reservierung erbeten, aber nicht zwingend erforderlich.
Eintritt frei.
* Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Neustrukturierung des Asylverfahrens und der Einführung der Bundeslager in der Schweiz. Mit der sogenannten Beschleunigung der Verfahren sollen Menschen effizienter verwaltet und ausgeschafft werden. Dafür nimmt das Staatssekretariat für Migration (SEM) Bundeslager in Betrieb, welche nicht nur die Unterbringung, sondern auch das gesamte Verfahren unter einem Dach zentralisieren und vereinheitlichen. Diese Praxis isoliert die betroffenen Menschen noch stärker vom Rest der Gesellschaft und lässt noch weniger Raum zur Selbstbestimmung. Um die Lagerpolitik umzusetzen, baut der Staat auf die Mitarbeit von Privatfirmen und NGOs.
** Bildungsparcours: Sprichst Du ausreichend Deutsch, um in der Schule mitzukommen? Wirst Du bei/auf deinem Bildungsweg unterstützt? Entsprichst Du den Bewertungskriterien des Schulsystems? Reicht das Geld für eine Ausbildung? Bringst Du die geforderten/nötigen Dokumente mit, um eine Ausbildung zu beginnen? Haben alle Menschen in der Schweiz dieselben Chancen auf Bildung? In einem interaktiven Parcours erfährst Du, welche Weichen gestellt werden und welche Hürden es zu überwinden gibt auf dem schweizerischen Bildungsweg. Ähnlich einem Leiter-Spiel, wirst Du, ausgestattet mit einer neuen Identität, unterschiedliche Aufgaben lösen, um Stufe für Stufe deinem Ziel näherzukommen.
Ausstrahlungstermine
Montag 18.3. - Sonntag, 24.3.19, täglich um 11.30 h (Wdh. 16.30 h)
Redaktionelle Beiträge auf Radio X zu diversen Themen in der Woche gegen Rassismus
u.a. mit FIASKO und STOPP Rassismus
Donnerstag 21.3., 18 h & Samstag 23.3.19, 13 h
Sendung X-Plus von Schüler/innen der FMS Münchenstein
Samstag 23.3., 16 h & Sonntag 24.3.19, 10 h
Ausstrahlung der Podiumsdiskussion zu "Racial Profiling" vom Donnerstag 21.3.19 in der Offenen Kirche Elisabethen
Kontakt
tatiana.vieira@radiox.ch
rebecca.haeusel@radiox.ch