seyda kurt

Love is the answer to everything! Ähh ja gut…

In «Radikale Zärtlichkeit» arbeitet sich Şeyda Kurt, getrieben von einem Unbehagen, leidenschaftlich an der romantischen Liebe ab. Diese kritische Auseinandersetzung mit Kerzenscheinromantik, Happy End und Co. tut dabei nicht nur gut – Das Buch startet vor allem auch eine Diskussion, die vielleicht schon längst überfällig ist. von Julia Brogli

22.01.02 Radikale Zärtlichkeit - Rezension

Rezension zu dem Buch "Radikale Zärtlichkeit" von Seyda Kurt

In «Radikale Zärtlichkeit» beschreibt Şeyda Kurt unter anderem wie Dominanzkulturen das standardisierte Bild der romantischen Zweierbeziehung entstehen liessen und es bis heute erfolgreich aufrecht halten. Denn Şeyda ist sich sicher: Die Art wie wir Liebe ausleben und ist keines natürlichen Ursprungs. Viel eher glaubt sie an eine Vielfalt der Bedürfnisse und Zärtlichkeiten, die unterdrückt und vereinheitlicht werden würden.

«Ich behaupte, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der mächtige Institutionen, Gesetze und das zirkulierende kollektive Wissen unermüdlich daran arbeiten, manche Wahrheiten aufrechtzuerhalten. Auch die Wahrheiten der Liebe. Es sind Wahrheiten, die über unsere Körper herrschen sollen und in ihrem Kern von patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Logiken zusammengehalten werden.»

Die Autorin ist dabei stets sehr deutlich. Sie trifft Aussagen und belegt diese. Sie forscht und hinterfragt, argumentiert und kritisiert – und sie fordert vor allem auch Alternativen. Sie fordert eine radikale Veränderung. Sie fordert «radikale Zärtlichkeit».

«Das Ziel kann nicht einfach nur Zärtlichkeit sein. Ich will konsequenter denken. Es muss um radikale Zärtlichkeit gehen. Ich verstehe radikale Zärtlichkeit als ein Programm der Gerechtigkeit. Eine Gerechtigkeit der Zärtlichkeit in der eigenen Beziehung, den scheinbar privatesten Spielräumen und darüber hinaus, gibt es nur, wenn sie für alle gilt.»

«Radikale Zärtlichkeit» ist dabei keinesfalls ein Ratgeber. Es geht Şeyda nicht darum, aufzuzeigen, wie man «glücklichere, freiere Beziehungen» haben kann oder so. «Dieses Buch wird weder Beziehungstipps liefern, noch einfache Lösungen. Şeyda geht es um weitaus mehr. Sie möchte eine ganzheitliche, gesamtgesellschaftliche Veränderung. Und sie ist sich sicher, eine gerechtere Welt wird nicht möglich sein, solange wir nicht lernen, gerechtere Beziehungen zu führen. Denn Beziehungen seien immer auch ein Abbild der Gesellschaft und deren Normen und somit politisch.

«Es geht um die Gleichzeitigkeit von Fairness und im Privaten und Gerechtigkeit im Politischen. Und darum, dass diese Grenzziehungen irgendwann nicht mehr notwendig sind.»

«Radikale Zärtlichkeit» ist ein Handreichen an all jene, bei denen die gesellschaftlichen Vorstellungen von «wahrer Liebe» auch schon Gefühle der Beklemmung ausgelöst haben. Und für alle anderen ebenso. Denn lohnt es sich nicht immer, festgefahrene Strukturen zu überdenken und von einer anderen Perspektive zu beleuchten – zu hinterfragen wieso eigentlich etwas so ist, wie es ist. Zu hinterfragen, welche Schattenseiten ein solches Konstrukt vielleicht auch mit sich bringt und wer am Ende davon profitiert und wen es benachteiligt…

Şeyda Kurt ist 29 Jahre alt. Sie hat unteranderem Kulturjournalistik, Romanistik und Philosophie studiert, mittlerweile lebt sie in Berlin und arbeitet als Journalistin, Moderatorin und Autorin. «Radikale Zärtlichkeit» erschien 2021 beim HarperCollins Verlag. Es handelt sich hierbei um ihr erster Roman.

seyda kurt

Love is the answer to everything! Ähh ja gut…

In «Radikale Zärtlichkeit» arbeitet sich Şeyda Kurt, getrieben von einem Unbehagen, leidenschaftlich an der romantischen Liebe ab. Diese kritische Auseinandersetzung mit Kerzenscheinromantik, Happy End und Co. tut dabei nicht nur gut – Das Buch startet vor allem auch eine Diskussion, die vielleicht schon längst überfällig ist. von Julia Brogli

22.01.02 Radikale Zärtlichkeit - Rezension

Rezension zu dem Buch "Radikale Zärtlichkeit" von Seyda Kurt

In «Radikale Zärtlichkeit» beschreibt Şeyda Kurt unter anderem wie Dominanzkulturen das standardisierte Bild der romantischen Zweierbeziehung entstehen liessen und es bis heute erfolgreich aufrecht halten. Denn Şeyda ist sich sicher: Die Art wie wir Liebe ausleben und ist keines natürlichen Ursprungs. Viel eher glaubt sie an eine Vielfalt der Bedürfnisse und Zärtlichkeiten, die unterdrückt und vereinheitlicht werden würden.

«Ich behaupte, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der mächtige Institutionen, Gesetze und das zirkulierende kollektive Wissen unermüdlich daran arbeiten, manche Wahrheiten aufrechtzuerhalten. Auch die Wahrheiten der Liebe. Es sind Wahrheiten, die über unsere Körper herrschen sollen und in ihrem Kern von patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Logiken zusammengehalten werden.»

Die Autorin ist dabei stets sehr deutlich. Sie trifft Aussagen und belegt diese. Sie forscht und hinterfragt, argumentiert und kritisiert – und sie fordert vor allem auch Alternativen. Sie fordert eine radikale Veränderung. Sie fordert «radikale Zärtlichkeit».

«Das Ziel kann nicht einfach nur Zärtlichkeit sein. Ich will konsequenter denken. Es muss um radikale Zärtlichkeit gehen. Ich verstehe radikale Zärtlichkeit als ein Programm der Gerechtigkeit. Eine Gerechtigkeit der Zärtlichkeit in der eigenen Beziehung, den scheinbar privatesten Spielräumen und darüber hinaus, gibt es nur, wenn sie für alle gilt.»

«Radikale Zärtlichkeit» ist dabei keinesfalls ein Ratgeber. Es geht Şeyda nicht darum, aufzuzeigen, wie man «glücklichere, freiere Beziehungen» haben kann oder so. «Dieses Buch wird weder Beziehungstipps liefern, noch einfache Lösungen. Şeyda geht es um weitaus mehr. Sie möchte eine ganzheitliche, gesamtgesellschaftliche Veränderung. Und sie ist sich sicher, eine gerechtere Welt wird nicht möglich sein, solange wir nicht lernen, gerechtere Beziehungen zu führen. Denn Beziehungen seien immer auch ein Abbild der Gesellschaft und deren Normen und somit politisch.

«Es geht um die Gleichzeitigkeit von Fairness und im Privaten und Gerechtigkeit im Politischen. Und darum, dass diese Grenzziehungen irgendwann nicht mehr notwendig sind.»

«Radikale Zärtlichkeit» ist ein Handreichen an all jene, bei denen die gesellschaftlichen Vorstellungen von «wahrer Liebe» auch schon Gefühle der Beklemmung ausgelöst haben. Und für alle anderen ebenso. Denn lohnt es sich nicht immer, festgefahrene Strukturen zu überdenken und von einer anderen Perspektive zu beleuchten – zu hinterfragen wieso eigentlich etwas so ist, wie es ist. Zu hinterfragen, welche Schattenseiten ein solches Konstrukt vielleicht auch mit sich bringt und wer am Ende davon profitiert und wen es benachteiligt…

Şeyda Kurt ist 29 Jahre alt. Sie hat unteranderem Kulturjournalistik, Romanistik und Philosophie studiert, mittlerweile lebt sie in Berlin und arbeitet als Journalistin, Moderatorin und Autorin. «Radikale Zärtlichkeit» erschien 2021 beim HarperCollins Verlag. Es handelt sich hierbei um ihr erster Roman.