Schwarz/Weiss: Die Frage nach der Wiedergutmachung
Letzten Dezember entschuldigt sich die niederländische Regierung offiziell für die Rolle des Landes in der Sklaverei. In der Schweiz steht eine offizielle Entschuldigung von Seiten der Regierung für die Beteiligung der Schweiz an der Sklaverei noch aus. Dabei sind auch hier Stimmen laut, die genau dies fordern. Und weiter, eine Wiedergutmachung. von Claire Micallef
23.03.23 Die Frage nach der Wiedergutmachung
Eine dieser Stimmen ist der Historiker, Politiker und Aktivist Hans Fässler. Er teilt den Prozess der Wiedergutmachung in drei Phasen ein: Phase eins beinhaltet, die Rolle des Landes oder der Gesellschaft im Sklavenhandel aufzuarbeiten. Phase zwei fordert eine Entschuldigung, einen Ausdruck des Bedauerns, des Respekts gegenüber den Opfern. Bei Phase drei geht es dann um die Wiedergutmachung. Die Schweiz befindet sich in diesem Prozess in der ersten Phase. „In den letzten 20 Jahren wurde in der Schweiz sehr viel Richtung Anerkennung der Schweizer Beteiligung an der Sklaverei und am Kolonialverbrechen gemacht“, sagt Fässler. Vor allem seit dem Tod von George Floyd (2020) hätten sich diese Bestrebungen nochmals intensiviert. „Daher kann man sagen, die Schweiz ist auf dem guten Weg, sich bewusst zu werden, dass es eine Schweizer Beteiligung gibt.“ Von einer Diskussion über eine materielle Wiedergutmachung, über Reparationszahlungen, ist die Schweiz noch weit entfernt.
Allerdings sind Reparationszahlungen auch unter Historiker:innen aus Afrika oder der Karibik nicht unumstritten. Die Befürchtung: Europäische Länder würden mit dem Zahlen der Reparationen ihre Schuld als abgezahlt ansehen. Trotz dieser Befürchtungen spricht sich Hans Fässler für Reparationszahlungen aus. Für ihn stehe unter anderem der Prozess im Zentrum. „Ich glaube, auf dem Weg zu diesen Reparationen wird es so viel Austausch und Erkenntnisse zwischen den Ländern geben, dass der Prozess ein wichtiger Schritt für eine Veränderung der Beziehungen zwischen Europa oder dem globalen Norden und dem globalen Süden ist.“
Wer soll aber zahlen? Wer erhält die Reparationszahlungen? Wie kann deren Höhe überhaupt berechnet werden? Hier existieren verschiedene Ansätze. Für Fässler ist klar, zahlen soll der Staat. Um die Höhe der Reparationszahlungen festzulegen, würde es Forschungsarbeiten und Verhandlungen brauchen, die versuchen, so gut wie möglich historisch und wirtschaftlich belegt eine Summe festzulegen. „Jetzt kann man natürlich sagen, das Leid von Jahrhunderten der Sklaverei liesse sich nicht in Geld ausdrücken. Und tatsächlich werden es letztendlich sehr grobe Schätzungen sein“, sagt Fässler. Erhalten würden diese Reparationszahlungen jene Staaten, die durch die Sklaverei geschädigt worden sind, beispielsweise die Staaten in der Karibik. Diese sollten dann laut Fässer in Zusammenarbeit mit den Geberländern Projekte entwickeln, bei denen das Geld vernünftig eingesetzt wird.
Zurück in die Schweiz. Vor vier Jahren hat Hans Fässler die Historikerkommission der Caricom (die Vereinigung der Karibischen Staaten) aufgefordert, die Schweiz auf ihre Liste der Staaten zu setzen, die Reparationen für die Sklaverei zahlen sollen. Im gleichen Jahr folgte die Caricom seiner Forderung. Damit die Schweiz offiziell mit den Forderungen der Caricom angegangen wird, braucht es allerdings noch die Zustimmung der Staats- und Regierungschefs der karibischen Staaten. „Wenn dies geschieht, wäre es das erste Mal, dass die Schweiz offiziell von staatlichen Institutionen zu Reparationszahlungen aufgefordert wird.“ Ob und wann dies der Fall sein wird und ob es davor Bewegungen in der Schweiz Richtung Entschuldigung oder Wiedergutmachung gibt, wir werden es sehen. Fest steht auch hier, es ist ein Prozess.
Schwarz/Weiss: Die Frage nach der Wiedergutmachung
Letzten Dezember entschuldigt sich die niederländische Regierung offiziell für die Rolle des Landes in der Sklaverei. In der Schweiz steht eine offizielle Entschuldigung von Seiten der Regierung für die Beteiligung der Schweiz an der Sklaverei noch aus. Dabei sind auch hier Stimmen laut, die genau dies fordern. Und weiter, eine Wiedergutmachung. von Claire Micallef
23.03.23 Die Frage nach der Wiedergutmachung
Eine dieser Stimmen ist der Historiker, Politiker und Aktivist Hans Fässler. Er teilt den Prozess der Wiedergutmachung in drei Phasen ein: Phase eins beinhaltet, die Rolle des Landes oder der Gesellschaft im Sklavenhandel aufzuarbeiten. Phase zwei fordert eine Entschuldigung, einen Ausdruck des Bedauerns, des Respekts gegenüber den Opfern. Bei Phase drei geht es dann um die Wiedergutmachung. Die Schweiz befindet sich in diesem Prozess in der ersten Phase. „In den letzten 20 Jahren wurde in der Schweiz sehr viel Richtung Anerkennung der Schweizer Beteiligung an der Sklaverei und am Kolonialverbrechen gemacht“, sagt Fässler. Vor allem seit dem Tod von George Floyd (2020) hätten sich diese Bestrebungen nochmals intensiviert. „Daher kann man sagen, die Schweiz ist auf dem guten Weg, sich bewusst zu werden, dass es eine Schweizer Beteiligung gibt.“ Von einer Diskussion über eine materielle Wiedergutmachung, über Reparationszahlungen, ist die Schweiz noch weit entfernt.
Allerdings sind Reparationszahlungen auch unter Historiker:innen aus Afrika oder der Karibik nicht unumstritten. Die Befürchtung: Europäische Länder würden mit dem Zahlen der Reparationen ihre Schuld als abgezahlt ansehen. Trotz dieser Befürchtungen spricht sich Hans Fässler für Reparationszahlungen aus. Für ihn stehe unter anderem der Prozess im Zentrum. „Ich glaube, auf dem Weg zu diesen Reparationen wird es so viel Austausch und Erkenntnisse zwischen den Ländern geben, dass der Prozess ein wichtiger Schritt für eine Veränderung der Beziehungen zwischen Europa oder dem globalen Norden und dem globalen Süden ist.“
Wer soll aber zahlen? Wer erhält die Reparationszahlungen? Wie kann deren Höhe überhaupt berechnet werden? Hier existieren verschiedene Ansätze. Für Fässler ist klar, zahlen soll der Staat. Um die Höhe der Reparationszahlungen festzulegen, würde es Forschungsarbeiten und Verhandlungen brauchen, die versuchen, so gut wie möglich historisch und wirtschaftlich belegt eine Summe festzulegen. „Jetzt kann man natürlich sagen, das Leid von Jahrhunderten der Sklaverei liesse sich nicht in Geld ausdrücken. Und tatsächlich werden es letztendlich sehr grobe Schätzungen sein“, sagt Fässler. Erhalten würden diese Reparationszahlungen jene Staaten, die durch die Sklaverei geschädigt worden sind, beispielsweise die Staaten in der Karibik. Diese sollten dann laut Fässer in Zusammenarbeit mit den Geberländern Projekte entwickeln, bei denen das Geld vernünftig eingesetzt wird.
Zurück in die Schweiz. Vor vier Jahren hat Hans Fässler die Historikerkommission der Caricom (die Vereinigung der Karibischen Staaten) aufgefordert, die Schweiz auf ihre Liste der Staaten zu setzen, die Reparationen für die Sklaverei zahlen sollen. Im gleichen Jahr folgte die Caricom seiner Forderung. Damit die Schweiz offiziell mit den Forderungen der Caricom angegangen wird, braucht es allerdings noch die Zustimmung der Staats- und Regierungschefs der karibischen Staaten. „Wenn dies geschieht, wäre es das erste Mal, dass die Schweiz offiziell von staatlichen Institutionen zu Reparationszahlungen aufgefordert wird.“ Ob und wann dies der Fall sein wird und ob es davor Bewegungen in der Schweiz Richtung Entschuldigung oder Wiedergutmachung gibt, wir werden es sehen. Fest steht auch hier, es ist ein Prozess.