Salon Noirx

Kunstschaffende aus der Schweiz im Gespräch

In Salon Noirx kommen monatlich Kunst- und Kulturschaffende aus der ganzen Schweiz an den Runden Tisch und sprechen gemeinsam über ihre Praktiken und wie diese zu den aktuellen Zeiten stehen.

Salon Noir is a round table format in which artists and cultural workers across Switzerland come together to discuss their practice as it relates to the current times.

Salon Noirx wird freundlicherweise durch die Christoph Merian Stiftung und ab 2022 neu von der Stiftung Radio und Kultur Schweiz SRKS unterstützt. 

 

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Album der Woche: What of Our Nature von Haley Heynderickx und Max García Conover

Fast ein Jahrhundert nach Woody Guthries Protestsongs klingt seine Haltung erschreckend aktuell. Jetzt greifen Haley Heynderickx und Max García Conover seinen Geist auf – und übersetzen ihn in ein neues Folk-Album, das Tradition und Gegenwart eindrucksvoll verbindet. von Mirco Kaempf

What of our nature - Haley Heynderickx, Max García Conover

In "What of our nature" spielen Haley Heynderickx, Max García Conover Songs inspiriert von Woody Guthrie

This machine kills fascists – diesen Spruch hatte Woody Guthrie in den 1940er-Jahren stets auf seiner Gitarre stehen. Für den amerikanischen Folk-Pionier waren Songs stets politische Werkzeuge: Lieder gegen Faschismus, Korruption, Ausbeutung und staatliche Gewalt. Seit den 1930er-Jahren schrieb er sozialistische Hymnen der Arbeiter:innenbewegung, beeinflusste Generationen von Protestsänger:innen – von Bob Dylan bis Joan Baez – und hallt noch immer nach. Nun widmen ihm die Songwriter:innen Haley Heynderickx und Max García Conover ein gemeinsames Album: What of Our Nature, zehn Stücke, in einem einzigen Aufnahmezug auf Zwei-Spur-Tape festgehalten, in einer abgelegenen Hütte im US-Bundesstaat Vermont.

Dass Guthrie zur DNA der amerikanischen Musikgeschichte gehört, ist unbestritten. Bemerkenswert – und bisweilen irritierend – ist jedoch, wie aktuell beinahe hundert Jahre alte Lieder wie This Land Is Your Land oder Dust Bowl Blues heute klingen. Heynderickx und García Conover reagieren auf diese Aktualität nicht mit einer blossen Neuinterpretation. Stattdessen nahmen sie sich ein Jahr Zeit, um Guthries Werk zu studieren und dessen Haltung in neue Kompositionen zu übersetzen. Das Resultat ist stellenweise verblüffend gelungen, etwa im eröffnenden „Song for Alicia“.

Der Titel greift den Fall der puerto-ricanischen Unabhängigkeitsaktivistin Alicia Rodriguez auf, die gemeinsam mit neun Mitstreiter:innen als Terroristin verurteilt wurde. Das Urteil wurde verlesen, während die Beschuldigten im Hochsicherheitsgebäude nebenan festgehalten wurden – nicht einmal anwesend im Gerichtssaal. Die Erzählweise ist klassisch: pointiert, anklagend, klar auf ein konkretes Unrecht gerichtet. Genau diese Mischung aus Empörung und Ermutigung ist ein Markenzeichen Guthries – und lebt hier in neuer Form weiter.

Heynderickx und García Conover verbinden politisches Bewusstsein mit biografischer Perspektive. Beide US-Amerikaner:innen – Heynderickx mit philippinischen Wurzeln, García Conover mit puerto-ricanischem Hintergrund – greifen Themen wie postkoloniale Prägungen, generationenübergreifende Identitäten oder gesellschaftliche Ungleichheiten auf. Nicht jeder Song ist so fokussiert dokumentarisch wie Song for Alicia, Bulosan’s Words oder Buffalo 1981. Stücke wie Fluorescent Light öffnen einen poetischeren Blick – auf Leben unter künstlichem Licht, in Büros oder Gefängnissen, an jenen Orten, an denen sich moderne Isolation verdichtet. Diese Passagen geben dem Album Raum und Balance.

Formal bleibt die Produktion eng an Guthries Arbeitsweise: Alle zehn Songs entstanden innerhalb von acht Stunden, live eingespielt auf ein Zwei-Spur-Gerät, produziert von Sahil Ansari. Das Ergebnis ist ein bewusst altmodisch anmutendes Folk-Album – rau, direkt, unverklärt –, das dennoch eindringlich in der Gegenwart verankert ist. What of Our Nature ist ein Werk mit antifaschistischem Kern, dessen Zeitgenossenschaft gerade aus seiner historischen Verwandtschaft erwächst.

Wer heute verstehen möchte, warum Woody Guthrie nicht im Museum steht, sondern in aktuellen politischen Debatten weiterklingt, findet in diesem Album ein eindrucksvolles Argument.

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