Neu aufgelegt: die rotzigen Punk-Chansons von Carambolage

Mit 'Fantasieakkorden' und rotzigen 'Spatzengesängen' waren Carambolage eine der ersten all female Punk/New Wave Bands, die im Deutschland der frühen 80er Jahren drei Schallplatten aufnahmen, die bis heute beinahe vergriffen waren. Nun bekommen die Scheiben einen Re-release. von Mirco Kaempf

Album der Woche: Reissues von Carambolage

Gepriesen als eine der ersten all-female-New Wave Bands Deutschlands, veröffentlicht das Hamburger Label Tapete Records die (zumeist vergriffenen) Alben nun nochmals.

Diese "ganzen komischen, schweinischen Texte" seien ganz natürlich entstanden, sagen Gitarristin und Sängerin Elfie-Esther Steitz-Praeker, Bassistin Angie Olbrich und Schlagzeugerin Britta Neander. Und eine "Frauenband" zu gründen? Das sei eigentlich auch nicht geplant gewesen, sondern hätte sich halt so ergeben. Wer stöbern geht in der Bandgeschichte von Carambolage, findet viel von jener "es kommt wie's kommt" Attitude. Zu brodeln begonnen hatte eine solche Lebenseinstellung wohl schon Mitte der 70er Jahre, nahe des Dunstkreises um die legendäre Band Ton Steine Scherben: So spielte Britta eine Weile Perkussion bei der befreundeten 'Männerband', Elfie-Esther war die Schwester von Scherben-Gitarrist R.P.S. Lanrue und Angie kam schon Anfangs der 70er als 'Strassenkind' zur Kommune hinzu.

Schonmal was von der "Nordfriesischen Welle" gehört? Auch dieser Ausdruck sei so nebenher entstanden, inmitten des vielen Ach und Krachs von lauten deutschen Bands, die sich allesamt unter dem Deckmantel des NDW einfanden. Auch wenn die Ton Steine Scherben für eine Art Impulszündung verantwortlich gewesen sein sollen, haben sich die drei Frauen zu Musikerinnen gemacht, und sich alsbald in ihren eigenen mit Karton ausgehüllten Proberaum zurückgezogen. In einer Art-Brut-Fashion erfinden sie Akkorde, lallen, rotzen und singen verpönende Texte - und spielen dann auch live, auch international.

Ihre ersten beiden Schallplatten Carambolage (1980) und Eilzustellung - Exprès (1982) waren bis heute nur noch schwer zu finden, und wenn, dann im dreistelligen Betrag. Ihr drittes Album Bon Voyage (1984) wurde gar erst 2019 nur digital veröffentlicht. Der damalige Produzent wollte die Band auf die Mainstreambühne heben was ihnen aber scheinbar gar nicht passte. CBS lehnte das Produkt ab - und die Band löste sich auf. "Auf der einen Seite waren Britta und Angie, die sich weiterhin dem DIY-Spirit der ersten beiden Alben verpflichtet fühlten. Auf der anderen Manne Praeker und Elfie, die ihrem Anspruch an Professionalität gerecht werden wollten, was darin endete, dass Praeker anfing, den kreativen Prozess der Band zu beeinflussen. »Jedenfalls verlief dann praktisch das Ende unserer Geschichte so, wie der Name sagt, in einer Carambolage«, erinnert sich Britta Neander im Interview mit Tine Plesch." (Aus den Liner Notes).