Feinfühlig und authentisch: 'Close to You'
Der Film Close to You begleitet Sam bei dem Wiedersehen mit seiner Familie. Er wohnt in Toronto, reist jedoch für den Geburtstag seines Vaters in die ruhige Heimatstadt Cobourg zurück. Dieser Besuch fällt Sam alles andere als leicht, denn das letzte Mal, als er seine Familie vor vier Jahren sah, war er noch ihre Tochter – nicht ihr Sohn.
24.09.07 Close to You
Als Sam bei seiner Familie ankommt, wird er herzlich empfangen. Seine Eltern und Geschwister freuen sich, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen. Alle wirken wohlwollend, als hätten sie Sams neue Identität akzeptiert. Doch trotz dieser Herzlichkeit liegt eine Spannung in der Luft. Es ist das Unbehagen, etwas Falsches zu sagen – begleitet von Sorge und anfänglichem Unverständnis für Sams Lebensweg.
Das Wiedersehen offenbart verschiedene Perspektiven: Der Vater ist sichtlich erleichtert, dass es Sam wieder gut geht, nachdem er sich selbst gefunden hat. Die Mutter freut sich ebenfalls, hat jedoch Schwierigkeiten, Sam mit den richtigen Pronomen anzusprechen. Sie macht sich deswegen grosse Vorwürfe, so dass Sam derjenige ist, der ihr gut zureden muss. Die Schwester wirkt gekränkt, weil sie Sam nie wirklich richtig gekannt hat, während der Schwager durch seine unterschwellige Transphobie immer wieder für Spannungen sorgt.
Der Film verdeutlicht, dass selbst bei Akzeptanz durch die Familie alltägliche Situationen wie eine Geburtstagsfeier zu einem Kampf um die eigene Identität werden können. Und dennoch schafft es Close to You, auf leise und einfühlsame Weise Brücken zu bauen und Verständnis für verschiedene Perspektiven zu schaffen – solange der transphobe Schwager nicht involviert ist.
Der Film Close to You spiegelt dies auch in seiner Erzählweise wider. Die Kameraaufnahmen sind nah, intim und wirken fast dokumentarisch. Sie unterstreichen den Wunsch des Films, unaufgeregt und realistisch einen Einblick in das Leben einer Transperson zu gewähren. In gewissen Szenen wird nur wenig gesprochen, vieles geschieht durch Bilder, Emotionen, Mimik und Musik, die verdeutlichen, was innerlich in Sam vorgeht, ohne es explizit auszusprechen. Die Dialoge und Interaktionen wirken authentisch, genauso könnte eine solche Wiedersehensfeier bei einem Geburtstag ablaufen. Diese Authentizität ist auch der Tatsache geschuldet, dass viele Szenen improvisiert wurden.
Close to You gewährt einen intimen, grösstenteils klischeefreien Einblick in die Herausforderungen und emotionalen Kämpfe, die Transpersonen im Alltag erleben, in diesem Fall während eines Familienbesuchs. Manche Handlungsstränge des Films wirken etwas forciert, wie die Annäherung zwischen Sam und seiner alten Schulfreundin, aber dennoch bleibt Close to You ein berührender und intimer Blick in die Realität von Transpersonen. Ob für Menschen ohne Berührungspunkte mit dem Thema oder für queere Personen, die sich in Sams Erlebnissen wiederfinden – Close to You bietet einen bewegenden Einblick in die Herausforderungen und Emotionen einer Transperson.
"Close to You", der neue Film von Regisseur Dominic Savage, läuft seit dem 5. September in den Deutschschweizer Kinos.