Zeichnen gegen das Patriarchat anno 1981
Während des Porno Booms der 70/80er Jahre war der feministische Konsens vorgegeben: Pornographie sei amoralisch und ausbeuterisch. Fünf mutige Baslerinnen gingen 1981 auf Tuchfühlung und kreierten einen Safe Space mit der Ausstellung "Frauen Körper Pornographie" im Frauenzimmer. Die Kuratorin Wanda Seiler setzt hinter dieses historische Event nun ein Ausrufezeichen, mit einer neuen Ausstellung in den Amerbach Studios. von Mirco Kaempf
22.03.10 Frauen Körper Pornographie
Fünf Künstlerinnen stellten sich 1981 die Frage, wie Frauen mit Pornografie umgehen sollen. In einer Ausstellung, die heute in den Amerbach Studios reaktiviert wird.
Im Künstler:innenhaus der Amerbach Studios im Kleinbasel wird aktuell eine Ausstellung gezeigt, die einen über 40 jährigen Zeitsprung vollführt. Wo 1981 die Künstlerinnen Miriam Cahn, Heidi Fischer, Marianne Kirchhofer, Anna B. Wiesendanger und Monika Dillier der Frage nachgingen, was der persönliche Konsum von Pornographie auslöst, und wie sich feministisch an diesen ermächtigt werden kann, reagieren Wiesendanger und Dillier nun erneut, künstlerisch, auf die Werke und Momente von damals. Und so treffen im Treppenhaus an der Amerbachstrasse 55A, die harten, schwarzen Linien der 80er Jahre auf die sensiblen, helleren Aquarelle von heute (Monika Dilliers "Ein Heft von 1982 mit einem Kommentar von 2022"). Wo Anna B. Wiesendanger damals noch auf 21 Blättern mit Wachsmalkreide Szenen nachgezeichnete, greift sie heute vor allem zu Ölfarben. Daneben sind Archiv Polaroids ausgestellt, ein Medien Echo von damals und auch besonders gelungen: der Super 8 Performance Film von 1982 "Anna im Plastik" von Anna B. Wiesendanger.
Dass nun gerade auf diese Ausstellung zurückgegriffen wird, hätte durchaus seinen Grund, sagt uns die Kuratorin Wanda Seiler. Als Kunsthistorikerin mit feministischem Fokus weiss sie um die Umstände dieser Generation der 2. Frauenbewegung in der Schweiz. So waren Künstlerinnen von Basler Institutionen bis 1983 ausgeschlossen (Miriam Cahn war mit ihrer Einzelausstellung 'Das klassische lieben' in der Kunsthalle die erste) und so war es üblich, dass sich Künstlerinnen zu Kollektiven zusammenschlossen, die dann in semiprofessionellen Räumen ihre Arbeiten zeigten. (Eine Praktik, die in der auf das Individuum fokussierte Kunstgeschichtsschreibung stets in Vergessenheit zu geraten droht). Wo der Zusammenschluss dieser fünf Künstlerinnen im Frauenzimmer 1981 also nicht ganz unüblich war, so war es doch die subject matter. Zwar hatten sich die Neue Linke seit 1968 für einen liberaleren Umgang mit Sex und Pornographie eingesetzt, doch war diese Liberalität oftmals einer einseitigen, nämlich männlichen Doktrine vorbehalten. Feministinnen wie die amerikanische Autorin Robin Morgan verurteilten diese und schrieben 1980 gar: "Pornography is the theory, and rape is the practice.” Eine Haltung, die auch Alice Schwarzer mit ihrer PorNO-Kampagne 1987 ebenfalls unterstützte.
Es sei daher umso bemerkenswerter, sagt uns Wanda Seiler, dass sich diese fünf Künstlerinnen gegen diese Haltung stellten. Anstatt Pornographie zu verurteilen stellten sie sich diese Frage - was löst Pornographie bei mir aus? Gibt es eine Möglichkeit, sich daran zu ermächtigen? Wohl auch mit einem Flair für Provokation aber mit einer grösseren Portion Neugier suchten sie künstlerisch nach Antworten und machten den Ausstellungsraum des Frauenzimmers zur Austausch- und Aufklärungsplattform. Hefte, Dias und Sextoys wurden ausgestellt. Diskussionen mit Besuchenden wurden transkribiert (einige Statements sind auch in der heutigen Ausstellung zu sehen). Es waren so sexpositive Haltungen die in den feministischen Diskurs eingebracht wurden, rund zwei Jahre bevor sich die gängige, verurteilende Haltung zu Pornographie zu ändern begann. Unter anderem auch deswegen, sei diese Ausstellung 1981 revolutionär gewesen.
Das Vokabular, das von der 2. Frauenbewegung der 68er ausging, war noch primär genderbinär. Das Nationale Stimmrecht hatten Frauen zu damaligem Zeitpunkt gerademal 10 Jahre in Anspruch nehmen können. Heute, 41 Jahre später, verdienen Frauen immernoch weniger als Männer, der Gender Data Gap wird durch Algorithmen nur noch grösser und FINTA* Personen werden strukturell übergangen. Pornografie findet sich nicht mehr in Videotheken, sondern ist mit Smartphones potenziell omnipräsent. Wie anders die Zeiten sind in denen wir heute wandeln, können Besuchende für sich selber entscheiden. Am Samstag 19. März führt die Kuratorin Wanda Seiler mit einem Vortrag durch die Ausstellung. An der Finissage am 25. März wird es Performances von einer neuen Generation Feminist:innen geben - von Chris Hunter, Chris Regn und Andrea Saemann. Im Künstler:innenhaus in den Amerbach Studios (keine Webseite):
"Frauen, Körper, Pornographie. Das individuelle Gedächtnis mit kollektiver Energie laden“
5.-25. März 2022
Amerbach Studios, Amerbachstrasse 55A, 4057 Basel
Öffnungszeiten: Freitag 17–20 Uhr / Samstag und Sonntag 15–18 Uhr
Im Beitrag hört ihr Stimmen von Monika Dillier, Wanda Seiler und Transkripte und Auszüge eines Gedichts von Heidi Fischer, gelesen von Paul von Rosen.