X_art: Wir kochen eine Gesellschaftssuppe
In dieser dreiteiligen Ausgabe von X_art hört ihr Einsichten in die Lebens- und Gedankenwelt des Performance Künstlers Steven Schoch. Er kocht uns eine Gesellschaftssuppe mit drei Zutaten, sinniert, erzählt, singt. Samstag, 16Uhr und Sonntag 10Uhr. von Mirco Kaempf
Radio X erinnert diese Woche an das 50 jährige Jubiläum des schweizerischen Frauestimmrechts. In diesem Rahmen geben wir das Mikrofon aus der Hand: Wir lauschen Menschen, die von ihrem Wesen und ihren Ansichten erzählen. So auch in dieser Ausgabe von X_art. Wo einige Menschen vor 50 Jahren vom Schatten ins Licht sprangen und sich den Moment zu Eigen machten, so wird nun auch diese Radiosendung der Perfomance gewidmet. Der in Basel lebende Künstler Steven Schoch nimmt uns in einer dreiteiligen Sendung mit in seine Küche, wo anhand 3 Artikeln aus dem Supermarkt eine bessere Gesellschaft entworfen wird, eine Landschaft mit Klaviertönen, die ein Manifesto gleichkommt und wir erhalten einen Einblick rund um seine Gedankenwelt, stellvertretend so einen Einblick in das Alltagsleben eines Künstlers . Folgt Steven Schoch auf Instagram & http://stevenschoch.ch/
Lieber Steven, was können unsere Hörer*Innen von deiner Sendung erwarten?
Steven Schoch: Mensch darf erwarten, vielschichtige 50 Minuten zu erleben in denen viele Aspekte meines künstlerischen Schaffens angepasst an das Format Radio zum Zuge kommen. Dabei lernen wir beispielsweise woher ich meine inspiration nehme, anhand eines metaphorischen Kochrezepts das ich adhoc erfinde. Es wird also ernst. lacht.
Warum ist kochen und schwatzen nun ein Kunstwerk? Das macht doch fast jeder täglich!
Ist es nicht. Es ist in diesem falle Radio.
Ich bin auch nicht so sehr daran interessiert ein Kunstwerk zu schaffen. Das Kunstwerk ist für mich immer das, was zwischen Rezipient*in und Dargebotenem passiert. Über die Dauer der Performance bzw. das Radioprogramm entstehen also hoffentlich mehrere Kunstwerke. Ich benutze aber künstlerische Strategien, um solche Momente herzustellen. Das macht eben nicht jede*r.
In meinen Performances wird das Medium und der Kontext in der die Performance stattfindet gerne mitreflektiert. In diesem Fall ist es also ein Radioformat, das versucht auf niederschwellige Art und Weise, Kunst und Kunstschaffende den Zuhörer*Innen näher zu bringen. Ebenso möchte es vernetzend wirken. Das heisst X_art besucht Künstler*innen und Ausstellungen und findet einfache Zugänge zu komplexen Themen.
Das bildet sozusagen das Script für die Performance.
Beim Zuhören wird einem also vor allem dieser Umstand klar - das Format, das auf mich angewendet wird, und die Mittel die dabei verwendet werden. Ich führe diese Mittel ein bisschen auf die Spitze und nutze sie um Meta-Themen einzuflechten. Schwatzen ist also schonmal vorausgesetzt und Kochen wird immer als vernetzend angesehen.
Ich habe mich hier also selbst besucht und schwatze eben mit mir selbst über das was ich mache. Mit meiner ostschweizer Schnautze, stilisiere ich mich also selbst und spiele damit, was Zuhörer*innen vielleicht schon im vornherein über mich denken bzw. was das Radio denkt, wer zuhört.
In einer passage improvisiere ich ein Rezept aus Weisskohl, Rotkraut und einer Mango (die lagen tatsächlich einfach grad auf dem Tisch) - es wird aber schnell klar, dass ich hier eigentlich Bezug zum 50 jährigen Jubiläum des Frauenstimmrechts nehme, das Rezept wird zur Metapher.
Was macht performance art so speziell, im Vergleich zur Malerei, Film oder Bildhauerei?
Naja, es speziell zu nennen macht es speziell :-), clever me.
Spass beiseite - Die Performance zeichnet sich dadurch aus, dass sie immer nur im Moment der Darbietung / Durchführung existiert. Selbst wenn etwas wiederholt wird, ist es immer anders. Das ist sinnbildlich für jegliche Existenz und es läuft entgegen unserem Wunsch, immer alles festhalten zu wollen. Malerei, Film, Bildhauerei will festhalten und einen Moment konservieren. Das tut die Performance nicht, sie will loslassen und im Moment sein..
Sind digitale performances ein blosser Farbabdruck des 'real things'?
Ich glaube, mensch muss das anders anschauen. Performances werden für ganz genaue Situationen geschaffen. Wenn nun beispielsweise eine Performance gedacht ist, im Wald stattzufinden und die Zuschauer*innen sollen den Waldboden spüren können oder die Temperatur etc., dann wäre die digitale Form davon für mich sehr wohl nur (oder nicht einmal) ein Farbabdruck - denn es lässt sich eben nicht alles ins digitale übersetzen. Es gibt aber wunderbare Performances die für den digitalen Raum geschaffen sind und genau deswegen funktionieren und „real“ sind.
In der Kunst kann man keine neuen Geschichten mehr erzählen. Stimmt das?
Naja, ich habe grundsätzlich Mühe mit dem Begriff „neu“. Bzw. mit dem Anspruch immer „neues“, zu erzählen. Es gibt den wunderbaren Vergleich in der Musik, wo die Frage gestellt wird, ob wir den noch mehr Love-Songs brauchen, zu den Abermillionen die es bereits gibt - kann man da überhaupt noch was neues erzählen? Und doch ist, so behaupte ich, jeder Song anders, beschreibt eine andere Facette und erzählt „Liebe“ insofern neu.
Mein Rezept ist, bestehende Dinge die vielleicht vordergründig nicht zusammenpassen zu kombinieren und durch ihre Kombination „neues“ zu erzählen.
Ist Kunst denn nun… ein beruf? ein unternehmen? ein konsumprodukt? eine vision? Sozialarbeit? Spassvertreib? Meditation? Angriff?
Haha. Im besten Falle alles in der richtigen Reihenfolge.