Im Habit Kondome verteilen
Sie nennen sich die „queeren Nonnen des 21. Jahrhunderts“ und sie stellen die Heteronormativität buchstäblich auf den Kopf: Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz. von Noemie Keller
21.01.02 Schwestern der Perpetuellen Indulgenz
Sie nennen sich die „queeren Nonnen des 21. Jahrhunderts“ und sie stellen die Heteronormativität buchstäblich auf den Kopf: Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz.
Das sind Aktivist*innen, die sich weltweit ehrenamtlich für die LGBTIQ+-Community und HIV-Prävention engagieren. Sie besuchen Bars, Clubs oder Anlässe der LGBTIQ+-Community, verteilen Kondome, bieten ein offenes Ohr, veranstalten Anlässe oder sammeln Spenden für Projekte und Organisationen, wie zum Beispiel für die Aids-Hilfe. Eine dieser Schwestern der Perpetuellen Indulgenz ist Schwester Greta von Breitenbach, die zu bürgerlichem Namen Marco Bültermann heisst. Sie ist momentan die einzige aktive Schwester in der Deutschschweiz.
Perpetuelle Indulgenz lässt sich in etwa mit immerwährender Lebensfreude, Schwelgerei, aber auch mit Ablass übersetzen. Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz haben nicht nur einen speziellen Namen, sondern sehen auch genauso kurios aus. Auf dem Kopf tragen sie BH und Schleier, das Gesicht weiss geschminkt mit bunten Akzenten, in deren Kreativität kein Ende gesetzt ist. Diese Schminke ist aber nicht einfach Zufall, sondern hat eine Bedeutung. Das weisse Gesicht steht für den Tod durch HIV und Aids, aber auch für den sozialen Tod durch Ausgrenzung und Stigmatisierung. Die farbigen Akzente stehen für die Lebensfreude.
Ausserdem erkennt man anhand der Aufmachung den Ausbildungsstand einer Schwester. Eine Schwester der Perpetuellen Indulgenz kann man nicht von heute auf morgen werden, dahinter steckt eine Ausbildung. Die Ausbildung dauert unterschiedlich lange. Das kommt ganz drauf an, wie oft du bei Manifestationen, so nennt man es, wenn Schwestern in der Öffentlichkeit erscheinen, dabei bist und wie du dich dabei anstellst. Schwester Greta von Breitenbach hat ihre Ausbildung recht schnell innerhalb eines Jahres absolviert bei der Abtei Bavaria zur Glückseligkeit des Südens e.V., einer von acht Orden in Deutschland.
Warum aber organisieren sich diese queeren Aktivist*innen als Orden und treten als bunte Nonnen auf?
Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz gibt es nun schon eine ganze Weile. Am Osterwochenende 1979 traten die ersten Schwestern in Erscheinung. Die drei Männer Ken Bunch, Fred Brungard und Baruch Golden tauchten in echten Habiten in The Castro auf, dem Schwulen- und Lesbenviertel San Franciscos. Die Habite gehörten verstorbenen Nonnen und die Männer hatten sie unter dem Vorwand, es für eine Produktion von “The Sound of Music” zu brauchen, organisieren können. Sofort merkten sie, was dieser Auftritt im Habit für eine Aufmerksamkeit generierte.
Der zweite Auftritt war bei einem Softball Spiel der Gay Softball League zusammen mit Edmund Garron. Auch er erkannte das Potenzial hinter der Aufmachung. Schlussendlich zogen Ken Bunch, Fred Brungard, Edmund Garron und Bill Graham zu viert in eine Wohnung in der Ashbury Street, die dann als “The Convent” bekannt wurde. Zusammen gründeten sie die “Sisters of Perpetual Indulgence”.
Sie sind die Gründungsschwestern: Sister Vicious PHB (Ken Bunch), Sister Missionary Position (Fred Brungard), Sister Hysterectoria-Agnes (Edmund Garron) und Reverend Mother (Bill Graham). Ihre Wohnung wurde zum Treffpunkt der Mitglieder und ihr Telefon zur SPI-Telefonleitung. Die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz sind übrigens inspiriert von den Radical Faeries.
1982 brachten die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz auch die Safer Sex-Broschüre “Play Fair!” rauss, einer der ersten Safer Sex-Broschüren von schwulen Männern, für schwule Männer. Ausserdem benutzte sie sex-positive Sprache und Humor.
Heute gibt es die Orden der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz über die ganze Welt verteilt. Zum Beispiel in Amerika, Australien, Kolumbien, Frankreich, Deutschland, England oder Uruguay. In Zürich gab es auch einen Orden, der ist allerdings nicht mehr aktiv. In Fribourg gibt es noch den Couvent des Grues.
Queere Nonnen, die Sex bejahen – und was sagen die “echten” Ordensschwestern dazu?
Für diesen Abschnitt bitte hier klicken. Dieser Beitrag ist die Diplomarbeit von Noemie Keller und über diesen Link in Gänze zu lesen.