Feministisches Streikradio am 14. Juni

14. Juni 2019: Violette Banner hingen von den Fenstern, die Haare waren violett gefärbt und die violetten Shirts übergestreift. Über eine halbe Millione Menschen haben am feministischen Streiktag für ihre Rechte die Schweizer Strassen eingenommen. Mittendrin: Der Zusammenschluss von Community-Radios, die live vom Tag berichteten. Und nun heisst es, auch für uns, time for the next round!

Am 14. Juni spannen Vertreter:innen von Community-Radios in Basel, Aarau, Bern, Chiasso, Genf, Schaffhausen, Winterthur und Zürich zusammen, um dem Feministischen Streik eine laute FINTA*-Stimme zu verleihen! Ab Mitternacht kapern wir die Sendungen und senden während 24 Stunden ein gemeinsames Spezialprogramm auf den Frequenzen der beteiligten Radios: das Feministische Streikradio

In über zehn Sprachen von Deutsch über Französisch bis Arabisch hörst du Interviews und Beiträge zu Themen wie tiefe Löhne in Frauenberufen, sexualisierte Gewalt, Gendermedizin oder Frauenrechte im Mittleren Osten. Und obviously wird während diesen 24 Stunden nur Musik von FINTA* Personen gespielt. Zwischen 11:00 Uhr und 22:00 Uhr verlagern wir uns auf den Bundesplatz in Bern und senden live aus dem Sendebus vom Feministischen Streik, übertragen Reden und Konzerte und fühlen mit Schaltungen in verschiedene Regionen der Schweiz dem nationalen Streik auf den Puls. Moderiert wird das Radioprogramm von Sendungsmachenden der beteiligten Radios und weiteren Freiwilligen aus der Medienbranche.

Projektleitung für Radio X: Claire Micallef

 

Folge dem Feministischen Streikradio auf Instagram für Impressionen vom Tag.

Die Beiträge und Reden zum Nachhören

«Nach 26 Jahren in der Schweiz ausgeschafft»

In der Schweiz werden ausländische Menschen, welche von der Sozialhilfe abhängig sind, ausgeschafft. Auch wenn diese seit 26 Jahren hier ihren Lebensmittelpunkt haben. Popsängerin und ehemalige Sendungsmacherin Anouchka Gwen erzählt uns hier ihre Geschichte. von Mirco Kaempf

22.04.16 Anouchkas Mutter soll ausgeschafft werden

Nach 26 Jahren in der Schweiz lebend, soll die Mutter von zwei Töchtern ausgeschafft werden. Anouchka Gwen erzählt uns die Geschichte, Nationalrätin Samira Marti ordnet ein. Soliparty heute im Hirschi.

Ab wann ist ein Mensch in einem neuen Land wirklich angekommen? Als ihre Mutter vor 26 Jahren in die Schweiz kam, war sie eine Geflüchtete des Ersten Kongokrieges. Offiziell geglaubt hatte man ihr das aber nicht. Es ist ihr  erst nach 15 Jahren erlaubt worden, in der Schweiz sich legal aufzuhalten und erwerbstätig zu werden; erst im 2011, nach einem ersten Ausschaffungsverfahren konnte dies dank Duck seitens der Medien und der Sans Papier Anlaufstelle abgewendet werden und sie erhielt die Niederlassbewilligung B

Was danach kommt, sind Eckpunkte einer persönlichen Biografie: 2015 trennt sich die Mutter vom Vater, die Mutter wird krank, kann nicht arbeiten, macht Schulden und landet schlussendlich bei der Sozialhilfe BL. 

Nun hält man ihr eine fehlgeschlagene Integration vor. Zu hoch seien die Schulden, zu abhängig sei sie von der Sozialhilfe. Dies mache sie zum "Risiko für die öffentliche Sicherheit".

Der Hintergrund ist politisch: 2019 kam es zu einer Verschärfung des Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG), wonach ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung vollzogen werden kann, sofern ausländische Menschen welche in der Schweiz leben,  "in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstos­sen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet". 

Laut dem Amt für Migration und Bürgerrecht BL werde eine Person ab Verlustscheinen von CHF 30'000 als ein solches Risiko gewertet. Sie fügen hinzu: "Es gilt jedoch zu bemerken, dass wir noch nie jemanden mit einem eigenständigen Aufenthaltstitel alleine wegen dieser Schuldenhöhe weggewiesen haben." Sieben Menschen wurden im BL bisher unter diesem Vorwand ausgeschafft.

Die Verschärfung dieses Gesetzes sei das Ergebnis von systematischer Menschenfeindlichkeit von politisch rechter Seite, sagt uns im Interview SP Nationalrätin Samira Marti. "Die Schuld wird umgedreht - heute müssen Menschen wie Anouchkas Mutter vor Bundesgericht beweisen, dass sie Sozialhilfe verdient haben und nicht anders ihre Existenz sichern konnten. [...] Das ist eine Umkehrung der Beweislast und von allem, was wir uns im letzten Jahrhundert als Gesellschaft erkämpft haben als Sozial- und Rechtsstaat."

Diese Verschärfung versucht Samira Marti aktuell zu bekämpfen. In rund zwei Wochen stimmt der Nationalrat nochmals über ihren Vorstoss "Armut ist kein Verbrechen" ab, der vor zwei Jahren knapp im Ständerat gescheitert ist. Diesen Vorstoss könnt ihr in einer Petition unterstützen: https://poverty-is-not-a-crime.ch/de/

Auch Anouchkas Familie kämpft. Nicht nur für das Bleiberecht ihrer seit 26 Jahren in der Schweiz lebenden Mutter, auch für andere von diesem Gesetz betroffene Menschen. Ihre Petition haben innerhalb von einer Woche über 2000 Menschen unterzeichnet, auch hier steht derselbe Slogan in der Mitte - Armut ist kein Verbrechen: https://act.campax.org/petitions/armut-ist-kein-verbrechen-drohende-ausschaffung-trotz-26-jahren-in-der-schweiz

Heute Abend findet eine Soli Party im Hirscheneck statt. Erlöse dienen den Anwaltskosten und sollen bei der Schuldenlast helfen. Ab 22:30 gehts los.

Im Beitrag hört ihr Stimmen der Sängerin Anouchka Gwen, SP Nationalrätin Samira Marti und Stellungnahmen des Amt für Migration und Bürgerrecht BL (eingesprochen von Noemie Keller). Klangteppich von Ben Kaczor.

Die Playlist des Feministischen Streikradios