
Album der Woche: Double Infinity von Big Thief
Kaum eine andere Band verbindet derart eindringlich Wärme im Sound, kompromisslose Aufrichtigkeit im Songwriting und eine beinahe kultische Fangemeinde. Nicht ohne Grund werden ihre Konzerte von Fans auch als sakrale Momente beschrieben. Double Infinity heisst das neue Studioalbum – entstanden während drei eisigen Winterwochen in New York, unter ungewöhnlichen Bedingungen. von Mirco Kaempf
Album der Woche - Double Infinity - Big Thief
Das sechste Studioalbum von Big Thief entstand in kollaborativer Manier, während einer dreiwöchigen Aufnahmezeit.
Mit Double Infinity legt Big Thief erstmals ein Album ohne Bassist Max Oleartchik vor, der seit den Anfängen Teil der Band war. Und es ist das erste Werk, dessen Stücke nicht bis ins Detail vorab komponiert waren, sondern in einem hochgradig spontanen Prozess entstanden sind. Die Band öffnete die Türen der legendären Power Station in Manhattan, lud befreundete Musiker:innen ein – und liess den Moment entscheiden. Entstanden ist ein Album, das die Spontaneität dieser Sessions atmet: suchend, organisch, manchmal fragil, immer unmittelbar. Für Songwriter/Fontfrau Adrianne Lenker stellte dies einen neuen, kreativen Resonanzraum dar.
Inhaltlich kreist Double Infinity um den äusseren wie inneren Kosmos des Menschen und um den Körper als Brücke zwischen diesen Welten. Was zunächst esoterisch anmutet, entfaltet sich als zutiefst emotionales Werk. Lenker selbst beschreibt ihren Schreibprozess als eine Art Dialog mit etwas, das grösser sei als sie selbst – ihre Songs lehrten sie während des Entstehens etwas über das Leben. So stellt sie in Incomprehensible intime Erinnerungen der unendlichen Zeitlosigkeit des Universums gegenüber.
In All Night All Day findet sie poetische Worte für erotisches Verlangen – und reflektiert dabei eine Erziehung in streng christlichen Kreisen, die Sexualität als Tabu behandelten. Auf Double Infinity aber geht es um das Konkrete, das Zwischenmenschliche, das unmittelbare Erleben. Adrianne Lenker gelingt es, die Songs wie Gesprächsfragmente klingen zu lassen, in denen eine lyrische Schönheit mitschwingt, die von der Band so sensibel untermalt wird, dass man am Ende das Gefühl hat, vielleicht ein kleines Stück Ewigkeit berührt zu haben.