Woche gegen Rassismus 2019

Ausschnitt von Menschen in Theaterkostümen

Wenn Sprache verschwindet: 1984 im Theater Basel

Wer ein Bild der Zukunft sehen möchte, sollte sich ein Gesicht vorstellen, das unaufhörlich von einem Stiefel niedergetreten wird. Diese eindringliche Aussage beschreibt das Leben in einem totalitären Staat – einem Staat, der seit fast 80 Jahren existiert: Ozeanien, der dystopische Schauplatz des Romanklassikers „1984“ von George Orwell. Eine Adaption dieses Werks wird derzeit im Theater Basel von der Ballettkompanie auf die Bühne gebracht. von Mirco Kaempf

25.05.14 1984

Die Balletkompagnie zeigt aktuell eine Adaption von George Orwell's '1984'

Was George Orwell nach dem Zweiten Weltkrieg in „1984“ entwarf, war ursprünglich als Satire gedacht – ein antifaschistisches Plädoyer, das als „Wehret den Anfängen“ verstanden wurde. Heute gilt der Roman als dystopischer Klassiker, der immer wieder als erschreckend realistisch und hochaktuell beschrieben wird. Der berühmte Satz „Big Brother is watching you“ wird oft im Zusammenhang mit Datenschutz zitiert. Ein Staat, der Informationen überwacht, allgegenwärtige Bildschirme um uns herum – leben wir bereits in einem „orwellschen“ Staat?

Nicht ganz. Oder womöglich auch, vielleicht? Die Adaption der Ballettkompanie macht deutlich, worum es vor allem geht: um Sprache. Hier wird nicht nur das Vokabular beschnitten, sondern auch das Ausdrucksvermögen der Tänzer:innen. Die Adaption ist kein klassisches Ballett, sondern ein physisches Theater. Das Ensemble wird seines Selbstverständnisses beraubt, indem Tanz in der gewohnten Form kaum vorkommt. Die Darsteller:innen bewegen sich steif und eckig, sprechen miteinander in einem affektierten, fast roboterhaften Ton, als fehle ihnen das nötige Vokabular, um echte zwischenmenschliche Verbindungen aufzubauen.

eine person tanzt mit einem Stuhl
Photo: Fabian Stransky

Im Zentrum steht „Newspeak“, eine Sprache, die alle alten, subversiven Begriffe zerstört und die Welt so weit entfremdet, dass, wenn der Staat behauptet, „2 + 2 = 5“, dies als Wahrheit akzeptiert wird. Gedankenverbrechen werden geahndet, und wer anders denkt, wird ausgelöscht. So wirkt auch der Dialog des Ensembles angespannt und emotionslos – als sei der menschliche Ausdruck über Generationen hinweg normiert worden. Dies entspricht der Welt von Ozeanien, in der die Partei die Menschen ihrer Menschlichkeit beraubt hat. Zynische Zeitungsleser:innen denken jetzt vielleicht an die Beschneidung der Diversity Programme durch die US Politik, oder die Verunglimpfung der "Woke" Bewegung auch hierzulande.

Immer wieder werden einzelne Figuren dazu gebracht, bestimmte Bewegungen oder Sätze mehrfach zu wiederholen. Diese absurden Wiederholungen verdeutlichen, wie das Abnormale in dieser Gesellschaft zur Normalität geworden ist. Der Begriff „Doublethink“ – der Glaube an zwei widersprüchliche Wahrheiten – und „Doublespeak“ zeigen, wie Worte ihren Inhalt verlieren und Menschen dadurch machtlos werden. Wie können wir Freiheit verstehen, wenn uns das Wort dafür fehlt?

In diesem bedrückenden Setting fügt sich das Ensemble nahtlos ein. Die Geschichte von Winston und Julia entfaltet sich in einer kargen, düsteren Atmosphäre, und das Publikum hofft immer wieder, einen Funken Tanz und Menschlichkeit zu erhaschen. Diese Momente gibt es, doch sie sind selten. Es ist eine radikale Entscheidung, auch den Balletttänzer:innen ihre gewohnte Sprache zu entziehen und sie zu physischen Theaterspieler:innen zu machen – aber es ist die richtige Entscheidung. Mit dem Ergebnis, dass „1984“ im Theater Basel wohl nicht das unterhaltsamste Stück des Jahres sein wird, aber mit Sicherheit eines der relevantesten.

ein fernsehapparat auf einer bühne
Photo: Fabian Stransky

Die Woche

Lesungen, Theater, Diskussion, Musik, Ausstellungen und vieles mehr: Die Woche gegen Rassismus 2019 in Basel bietet ein vielfältiges Programm, sie findet statt von: Montag, 18. März bis Sonntag, 24. März 2019

Radio X setzt in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen und Beteiligten ein Zeichen gegen Rassismus und andere Formen von Diskriminierung. Ziel ist es, die lokale Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und gemeinsam in einen Dialog zu treten.

Während der ganzen Woche strahlt Radio X jeweils um 11:30 Uhr und um 16:30 Uhr thematische Beiträge aus.

Flyer Woche gegen Rassismus in Basel 2019

Medienmitteilung Woche gegen Rassismus 18.-24.3.19 mit Programm

 

 
Das Programm


Montag, 18. März 2019

Forumtheater "Sans Frontières" - Ein interaktiver Theaterabend zum Thema Diskriminierung und Rassismus. 

19.30 Uhr, KLARA (Clarastrasse 13)

Eintritt frei. 

 

Dienstag, 19. März 2019

Uni von unten: «Alltäglicher Ausnahmezustand: Racial Profiling in der Schweiz» mit Mohamed Wa Baile, Sarah Schilliger und Claudia Wilopo

19 Uhr, Internetcafé Planet 13 (Klybeckstrasse 60, 4057 Basel)

Eintritt frei.

 

Mittwoch, 20. März 2019

Liveübertragung Radio X, mit Interviews live vor Ort: Abendschule Import, Bla*ShTheater Niemandsland, Kulinarisches von Schnaboule Schnaboule und Musik zum Thema «Migration und Musik» mit Leila Moon.

17-22 Uhr, Keck Kiosk (Kaserne)

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

Donnerstag, 21. März 2019

Podiumsdiskussion «Racial Profiling» mit szenischen Sequenzen des Theaters Niemandsland.

Auf dem Podium: Michel Hostettler (Community Policing Kleinbasel), Tobias Burkhard (Ausbildungsleiter KaPo BS), Nahom Mehret (Schweizer, geb. in Eritrea), Yvonne Apiyo Brändle-Amolo (SP Politikerin Zürich, Künstlerin).

Moderation: Bernard Senn, SRF

Mit dabei: BastA!, STOPP Rassismus u.a.

19 Uhr, Offene Kirche Elisabethen

Eintritt frei. 

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

Freitag, 22. März 2019

Bla*Sh, Legion Seven, Brandy Butler (CH)

Mehrstimmige Lesung, Performance, Konzert, Büchertisch

19 Uhr (Doors: 18.30 Uhr), Rossstall II, Kaserne Basel

Eintritt frei.

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

Samstag, 23. März 2019

Afrika-Stadtrundgang des Zentrums für Afrikastudien

The tour will take place in English and is free of charge. Reservations are requested but not required. 

14 Uhr, meeting point: at the pyramides in front of the Offene Kirche Elisabethen

 

Offener Hörsaal: Interaktiver Parcours**, über Hürden und Weichen auf dem schweizerischen Bildungsweg

16.00-18.30 Uhr, Foyer Junges Theater Basel

Eintritt frei. 

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr 

Input: Wie die Schweiz Migrant*innen 2019 isoliert und verwaltet.

20 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

 

Sonntag, 24. März 2019

Afrika-Stadtrundgang des Zentrums für Afrikastudien auf Deutsch

14 Uhr, Treffpunkt: Pyramiden-Platz (Elisabethenstrasse)

Reservierung erbeten, aber nicht zwingend erforderlich.

Eintritt frei.

 

 

Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Neustrukturierung des Asylverfahrens und der Einführung der Bundeslager in der Schweiz. Mit der sogenannten Beschleunigung der Verfahren sollen Menschen effizienter verwaltet und ausgeschafft werden. Dafür nimmt das Staatssekretariat für Migration (SEM) Bundeslager in Betrieb, welche nicht nur die Unterbringung, sondern auch das gesamte Verfahren unter einem Dach zentralisieren und vereinheitlichen. Diese Praxis isoliert die betroffenen Menschen noch stärker vom Rest der Gesellschaft und lässt noch weniger Raum zur Selbstbestimmung. Um die Lagerpolitik umzusetzen, baut der Staat auf die Mitarbeit von Privatfirmen und NGOs.

 

** Bildungsparcours: Sprichst Du ausreichend Deutsch, um in der Schule mitzukommen? Wirst Du bei/auf deinem Bildungsweg unterstützt? Entsprichst Du den Bewertungskriterien des Schulsystems? Reicht das Geld für eine Ausbildung? Bringst Du die geforderten/nötigen Dokumente mit, um eine Ausbildung zu beginnen? Haben alle Menschen in der Schweiz dieselben Chancen auf Bildung? In einem interaktiven Parcours erfährst Du, welche Weichen gestellt werden und welche Hürden es zu überwinden gibt auf dem schweizerischen Bildungsweg. Ähnlich einem Leiter-Spiel, wirst Du, ausgestattet mit einer neuen Identität, unterschiedliche Aufgaben lösen, um Stufe für Stufe deinem Ziel näherzukommen.

 
Ausstrahlungstermine

 

Montag 18.3. - Sonntag, 24.3.19, täglich um 11.30 h (Wdh. 16.30 h)

Redaktionelle Beiträge auf Radio X zu diversen Themen in der Woche gegen Rassismus

u.a. mit FIASKO und STOPP Rassismus

 

Donnerstag 21.3., 18 h  & Samstag 23.3.19, 13 h

Sendung X-Plus von Schüler/innen der FMS Münchenstein

 

Samstag 23.3., 16 h & Sonntag 24.3.19, 10 h

Ausstrahlung der Podiumsdiskussion zu "Racial Profiling" vom Donnerstag 21.3.19 in der Offenen Kirche Elisabethen

Kontakt

tatiana.vieira@radiox.ch

rebecca.haeusel@radiox.ch

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Die Woche gegen Rassismus wird unterstützt durch:

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