Woche gegen Rassismus 2019

Jeanne Dark: Der Versuch einer radikalen Humanisierung

In ihrem neuen Theaterstück zur Jungfrau von Orléans erzählt die belgische Regisseurin Lies Pauwels keine heroische Legende, sondern zeigt ein vielschichtiges, widersprüchliches Mädchen, das kämpft, zweifelt und sich gegen jede gesellschaftliche Norm auflehnt. Das kann nur im Tod enden. Umso mehr bleiben existenzielle Fragen zurück. von Mirco Kaempf

25.11.16 Jeanne Dark

Das Theater Basel zeigt Jeanne Dark. Im Beitrag hört ihr ein Interview mit der Regisseurin Lies Pauwels, aufgezeichnet nach der Premiere am Do 13.11.25.

Wenn Jeanne d’Arc – fast 600 Jahre nach ihrer Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen – im Theater Basel wieder leibhaftig auf der Bühne steht, dann liegt Pathos fast zwingend in der Luft. Etwa, wenn sie sagt, das Wasser sei der Tod, dem sie entfliehe, und das Feuer der Tod, dem sie zustrebe – im festen Glauben, einem göttlichen Auftrag zu folgen. Dass ein Teenager im Mittelalter Frankreich von der englischen Besatzung befreien soll, ist historisch gut dokumentiert. Trotzdem wird ihr Leben bis heute mythologisiert, vereinnahmt und immer wieder neu erzählt. Ist es da überhaupt möglich, Jeanne d’Arc zu humanisieren? Die belgische Regisseurin Lies Pauwels unternimmt genau diesen Versuch.

What would you say is the biggest difference between the Jeanne d’Arc we see tonight and the Jeanne d’Arc of the Middle Ages?

Lies Pauwels: We don’t know who she really was anymore — we can only guess. She remains a mystery, just as she probably was back then. But today we project many questions onto her life.

Why is it hard to humanize someone whose life is well documented?

Lies Pauwels: We searched for her drive — what pushes someone so far. We weren’t looking for answers but for questions. You explore possibilities and try to find the human perspective behind the drive.

Die Figur von Jeanne Dark wird gespielt von  Schauspieler Sven Schelker. Dieser bewegt sich in einer Zeit, in der Frauen weder in den Krieg ziehen noch Männerkleidung tragen durften und meist auf ihren Körper reduziert wurden,  Er spielt dieses Bauernmädchen, das eine Armee inspirierte, Orléans befreite, in den Adelsstand erhoben und kurz darauf im Alter von nur 19 Jahren wegen Blasphemie, Hexerei und Crossdressing verurteilt und verbrannt wurde.

zwei figuren auf einer bühne mit langen gewändern
Aus "Jeanne Dark" am Theater Basel (Foto: Ingo Hoehn)

Im Stück wird Jeanne Dark ständig befragt: Warum tut sie, was sie tut? Warum glaubt sie, woran sie glaubt? Niemand – weder Eltern, Staat noch Kirche – kann sich erklären, warum sie Stimmen hört, ob göttlich, ausserirdisch oder elfengleich. Auch die Verweigerung von Essen und Sexualität wird thematisiert. Die psychologische Kultivierung von Hunger erscheint als zentraler symbolischer Antrieb dieser Jeanne.

Kontrovers diskutiert wurde im Vorfeld das Casting zweier Laiendarsteller:innen, die explizit Erfahrung mit Anorexie haben. Ihre Präsenz ist spürbar – und überschreitet für manche eine unsichtbare Grenze zwischen Fiktion und Realität. Pauwels verteidigt den Ansatz: Gerade diese Reibung sei ein Versuch, Theater enger ans Leben zu binden. Dass dies bei manchen Unbehagen auslöst, sei Teil der Auseinandersetzung.

One of the remarkable themes you explore is the cultivation of hunger — anorexia. You included two amateur actresses with lived experience. Some might say this blurs the line between fiction and reality; others may argue theatre always borrows from real life. Could you elaborate?

Lies Pauwels: In my performances, I like to have a “real” layer — something that doesn’t have to be acted. There’s a resonance in that, something personal, and it creates something different for the audience compared to when everything is purely constructed.

Why might the audience feel uncomfortable?

Lies Pauwels: That you have to ask yourself. There is actually nothing inherently uncomfortable about it — we make it uncomfortable. Working with people connected to an anorectic narrative: first, they are human beings. And every one of us carries baggage that brought us to where we are now.

Who would be a modern Jeanne d’Arc?

Lies Pauwels: Anyone who wants to be free and liberate themselves from pressure.

„Jeanne Dark“ ist eine eher reduzierte Inszenierung mit fünf Darsteller:innen, fernab pompöser Schlachten oder linearer Heldenerzählung. Stattdessen geht es um die Frage, ob Jeanne nicht nur standhaft, sondern vielleicht auch verletzlich, blutdürstig, manisch, kindlich oder schlicht sehnsüchtig nach Selbstbestimmung war. Die Produktion öffnet bewusst Deutungsräume – Antworten liefert sie kaum. Denn, so Pauwels: Fragen seien wichtiger als endgültige Wahrheiten.

Is wanting freedom a childish desire?

Lies Pauwels: Also, yes. It’s a beautiful question. I like what you’re asking, because I discover through your questions everything that can be read into the work. I try to keep my performances open, so the audience can bring their own content. It’s always nice to hear what that content is.

"Jeanne Dark" wird gezeigt am Schauspielhaus des Theater Basel, noch bis im Mai nächsten Jahres. Hier geht's zu den Aufführungsterminen.

Die Woche

Lesungen, Theater, Diskussion, Musik, Ausstellungen und vieles mehr: Die Woche gegen Rassismus 2019 in Basel bietet ein vielfältiges Programm, sie findet statt von: Montag, 18. März bis Sonntag, 24. März 2019

Radio X setzt in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen und Beteiligten ein Zeichen gegen Rassismus und andere Formen von Diskriminierung. Ziel ist es, die lokale Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und gemeinsam in einen Dialog zu treten.

Während der ganzen Woche strahlt Radio X jeweils um 11:30 Uhr und um 16:30 Uhr thematische Beiträge aus.

Flyer Woche gegen Rassismus in Basel 2019

Medienmitteilung Woche gegen Rassismus 18.-24.3.19 mit Programm

 

 
Das Programm


Montag, 18. März 2019

Forumtheater "Sans Frontières" - Ein interaktiver Theaterabend zum Thema Diskriminierung und Rassismus. 

19.30 Uhr, KLARA (Clarastrasse 13)

Eintritt frei. 

 

Dienstag, 19. März 2019

Uni von unten: «Alltäglicher Ausnahmezustand: Racial Profiling in der Schweiz» mit Mohamed Wa Baile, Sarah Schilliger und Claudia Wilopo

19 Uhr, Internetcafé Planet 13 (Klybeckstrasse 60, 4057 Basel)

Eintritt frei.

 

Mittwoch, 20. März 2019

Liveübertragung Radio X, mit Interviews live vor Ort: Abendschule Import, Bla*ShTheater Niemandsland, Kulinarisches von Schnaboule Schnaboule und Musik zum Thema «Migration und Musik» mit Leila Moon.

17-22 Uhr, Keck Kiosk (Kaserne)

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

Donnerstag, 21. März 2019

Podiumsdiskussion «Racial Profiling» mit szenischen Sequenzen des Theaters Niemandsland.

Auf dem Podium: Michel Hostettler (Community Policing Kleinbasel), Tobias Burkhard (Ausbildungsleiter KaPo BS), Nahom Mehret (Schweizer, geb. in Eritrea), Yvonne Apiyo Brändle-Amolo (SP Politikerin Zürich, Künstlerin).

Moderation: Bernard Senn, SRF

Mit dabei: BastA!, STOPP Rassismus u.a.

19 Uhr, Offene Kirche Elisabethen

Eintritt frei. 

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

Freitag, 22. März 2019

Bla*Sh, Legion Seven, Brandy Butler (CH)

Mehrstimmige Lesung, Performance, Konzert, Büchertisch

19 Uhr (Doors: 18.30 Uhr), Rossstall II, Kaserne Basel

Eintritt frei.

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

Samstag, 23. März 2019

Afrika-Stadtrundgang des Zentrums für Afrikastudien

The tour will take place in English and is free of charge. Reservations are requested but not required. 

14 Uhr, meeting point: at the pyramides in front of the Offene Kirche Elisabethen

 

Offener Hörsaal: Interaktiver Parcours**, über Hürden und Weichen auf dem schweizerischen Bildungsweg

16.00-18.30 Uhr, Foyer Junges Theater Basel

Eintritt frei. 

 

Ausstellung*: Bundes(asyl)lager- Zunehmende Isolierung und Kontrolle im Migrationsregime Schweiz

ab 19 Uhr 

Input: Wie die Schweiz Migrant*innen 2019 isoliert und verwaltet.

20 Uhr in der Carambolage (Erlenstrasse 34, 4058 Basel)

 

 

 

Sonntag, 24. März 2019

Afrika-Stadtrundgang des Zentrums für Afrikastudien auf Deutsch

14 Uhr, Treffpunkt: Pyramiden-Platz (Elisabethenstrasse)

Reservierung erbeten, aber nicht zwingend erforderlich.

Eintritt frei.

 

 

Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Neustrukturierung des Asylverfahrens und der Einführung der Bundeslager in der Schweiz. Mit der sogenannten Beschleunigung der Verfahren sollen Menschen effizienter verwaltet und ausgeschafft werden. Dafür nimmt das Staatssekretariat für Migration (SEM) Bundeslager in Betrieb, welche nicht nur die Unterbringung, sondern auch das gesamte Verfahren unter einem Dach zentralisieren und vereinheitlichen. Diese Praxis isoliert die betroffenen Menschen noch stärker vom Rest der Gesellschaft und lässt noch weniger Raum zur Selbstbestimmung. Um die Lagerpolitik umzusetzen, baut der Staat auf die Mitarbeit von Privatfirmen und NGOs.

 

** Bildungsparcours: Sprichst Du ausreichend Deutsch, um in der Schule mitzukommen? Wirst Du bei/auf deinem Bildungsweg unterstützt? Entsprichst Du den Bewertungskriterien des Schulsystems? Reicht das Geld für eine Ausbildung? Bringst Du die geforderten/nötigen Dokumente mit, um eine Ausbildung zu beginnen? Haben alle Menschen in der Schweiz dieselben Chancen auf Bildung? In einem interaktiven Parcours erfährst Du, welche Weichen gestellt werden und welche Hürden es zu überwinden gibt auf dem schweizerischen Bildungsweg. Ähnlich einem Leiter-Spiel, wirst Du, ausgestattet mit einer neuen Identität, unterschiedliche Aufgaben lösen, um Stufe für Stufe deinem Ziel näherzukommen.

 
Ausstrahlungstermine

 

Montag 18.3. - Sonntag, 24.3.19, täglich um 11.30 h (Wdh. 16.30 h)

Redaktionelle Beiträge auf Radio X zu diversen Themen in der Woche gegen Rassismus

u.a. mit FIASKO und STOPP Rassismus

 

Donnerstag 21.3., 18 h  & Samstag 23.3.19, 13 h

Sendung X-Plus von Schüler/innen der FMS Münchenstein

 

Samstag 23.3., 16 h & Sonntag 24.3.19, 10 h

Ausstrahlung der Podiumsdiskussion zu "Racial Profiling" vom Donnerstag 21.3.19 in der Offenen Kirche Elisabethen

Kontakt

tatiana.vieira@radiox.ch

rebecca.haeusel@radiox.ch

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Die Woche gegen Rassismus wird unterstützt durch:

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