airtime!

Klänge aus aller Welt auf Radio X

Die immer noch andauernde Pandemie hat es Musikschaffenden aus dem Globalen Süden und Osten in den letzten zwei Jahren massiv erschwert, in der Schweiz Konzerte zu geben und zu touren. Mit der neuen Radiosendung airtime! sollen ausgewählte Musikschaffende aus Afrika, Asien, Osteuropa, dem Nahen Osten und Lateinamerika die Möglichkeit erhalten, ihre Arbeit und Musik einmal im Monat auf Schweizer UNIKOM Radios zu präsentieren.

In der Schweizer Medienlandschaft sind Musikschaffende aus dem Globalen Süden – bis auf wenige Ausnahmen - seit Jahren untervertreten. Ihr Zugang zum Schweizer Publikum hat in der Vergangenheit grösstenteils über Konzertveranstaltungen und Festivals stattgefunden. Doch mit den pandemiebedingten Mobilitätseinschränkungen fällt dieser Kanal weg.

Das Projekt airtime! sieht die Pandemie als Chance und zielt auf Synergien, die noch nicht genutzt wurden. Eine wichtige Plattform ist der neu gegründete Zusammenschluss zwischen Schweizer UNIKOM-Radios, dem Projekt-Initianten artlink, sowie dem Südkulturfonds. Gemeinsam wollen die Projektpartner:innen aufstrebende, in der Schweiz noch unbekannte Musiker:innen aus Afrika, Asien, Lateinamerika, dem Nahen und Osten und Osteuropa (Non-EU-Countries) den Schweizer Radiohörer:innen präsentieren. Es soll zu Neuentdeckungen kommen – abseits der Festival- und Konzertbühnen. Es geht um Sichtbarkeit der Musik ausserhalb Europas und den USA, aber es geht auch um andere Perspektiven auf die aktuelle Weltlage.

Mit einem Open Call (Januar/Februar 2022) werden die Musiker:innen aus den genannten Regionen dazu aufgerufen, sich mit speziell für dieses Projekt produzierte Hörstücke, Musiksessions, DJ-Sets oder Podcasts für eine Teilnahme zu bewerben. Mindestens zehn Hörstücke/Sessions/DJ-Sets oder Podcasts werden auf den Schweizer UNIKOM-Radios Radio X, Radio RaBe, Radio 3fach, Kanal K, Radio Gwendalyn ausgestrahlt. Zu den musikalischen Beiträgen kommen Interviews mit den Musikschaffenden hinzu, welche den vertiefteren Einblick in ihre Arbeit und in ihren Alltag ermöglichen.

Die erste Folge von airtime! wird am 13. Februar, am Weltradiotag, ausgestrahlt. In dieser Episode erzählen die Intianten und Partner:innen welche persönliche Motivation sie dazu bewogen hat, sich für das neuartige Radioprojekt zu engagieren. In den weiteren Folgen kommen dann ab März 2022 die ausgewählten Musikschaffenden aus dem Globalen Süden und Osten zu Wort.

airtime! wurde initiert von artlink und dem Südkulturfonds und wird freundlich unterstützt durch die Stiftung Radio und Kultur Schweiz, sowie durch Swissperform.

English description: 

airtime! Sounds from all over the world
For over two years, the ongoing pandemic has made it extremely difficult for musicians from the global South and East to perform and tour in Switzerland. The radio programme called airtime!,  starting in February 2022, invites selected musicians from Africa, Asia, Eastern Europe, the Middle East and Latin America to present their work and music on five independent Swiss radio stations (UNIKOM radios). The collaborative project, uniting Radio X, Radio RaBe, Radio 3fach, Radio Gwen and Radio Kanal K, was initiated by artlink and Südkulturfonds with the much-appreciated support of SRKS (Stiftung Radio und Kultur Schweiz) and Swissperform.

Instagram-Link tree leading to pages of all medias: https://linktr.ee/soundslikeairtime

 

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©Hanna Girard

Wenn Wände erzählen

Eine Zeitreise durch die Geschichte des ersten Jugendhauses der Schweiz

Das Basler Sommercasino ist über 195 Jahre alt. Die alte Villa am Rand der Stadt birgt eine Geschichte voller Höhen und Tiefen. Wir machen eine Reise zurück zu den Anfängen des Hauses und haben mit vielen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gesprochen. von Hanna Girard

20.01.11 und 20.01.12 HörboX zum Basler Sommercasino

Das Sommercasino in Basel gehört für viele so sehr zur Stadt wie das Münster oder das Spalentor. Über 75 Jahre lang war die alte Villa zwischen Aeschenplatz und Münchensteinerbrücke, ausserhalb des Stadtzentrums, ein Jugendhaus. Doch diese Zeit beschreibt nur ein Bruchteil einer langen und bewegten Geschichte: Von Hochzeiten, Spieleabende der Basler Oberschicht, einer Flüchtlingsunterkunft zur Zeit des zweiten Weltkriegs oder ersten Konzerterfahrungen junger Musikerinnen und Musikern.

Der erste Kuss, das erste Mal auswärts tanzen gehen oder auf einer Bühne stehen: Es gibt in Basel wohl kaum jemanden, der keine Anekdote zum Sommercasino erzählen kann. 75 Jahre lang war die alte Villa ausserhalb der Basler Altstadt ein Jugendhaus, das erste der Schweiz. Es liegt zwischen dem Aeschenplatz und der Münchensteinerbrücke in einem grünen Park umringt von hohen Bäumen. Die einen nennen die alte Villa die Hochburg der Basler Nachwuchsförderung, die anderen bezeichnen sie liebevoll als den Ort ihrer Jugend.

©Dominik Asche
©Dominik Asche

Auch wenn das Sommercasino heute mit langen Nächten, Partys und Konzerten in Verbindung gebracht wird, ging es früher in der alten Villa sehr gesittet zu und her. Erbaut zwischen 1822 und 1824, diente die klassizistische Villa als Gesellschaftshaus der reichen Basler Oberschicht. Spielabende, Tanzveranstaltungen und Hochzeiten waren damals an der Tagesordnung.

Bis 1937 gehörte das Sommercasino der Stadtcasino-Gesellschaft. Dann kam die Gesellschaft in finanzielle Nöte und musste die Villa verkaufen. Während den Kriegsjahren lebten jüdische Flüchtlinge aus Deutschland im Sommercasino. Nur noch wenige wissen heute noch von dieser Zeit. George Hennig ist einer von ihnen. 14 Jahre lang leitete er das Sommercasino als Jugendhaus, organisierte Konzerte und Partys und koordinierte zahlreiche Freiwillige.

In den 1990-er Jahren nahm ein altes jüdisches Ehepaar Kontakt mit ihm auf. Die beiden lebten in Amerika und besuchten Verwandte in Basel. Sie waren aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Basel geflüchtet und wurden im Sommercasino interniert. Sie wollten die alte Villa noch einmal besuchen. "Beide waren sehr freundlich und neugierig", erinnert sich George Hennig. "Wir gingen gemeinsam durch das ganze Haus. Als wir in der Küche ankamen, mussten wir den Rundgang abbrechen. Es war wohl etwas zu viel für sie."

Auch Pia Spohn weiss noch von dieser Zeit. Heute ist die zarte Dame 84 Jahre alt. Sie ist adrett gekleidet, trägt einen feinsäuberlich geschnittenen Bob und hat wache, grüne Augen. Heute noch lebt Pia Spohn nur einen Steinwurf vom Sommercasino entfernt. Ihre Mutter kam als junge Frau aus Deutschland nach Basel und hatte regen Briefkontakt zu Bekannten und Verwandten aus ihrer Heimatstadt Mannheim. So wurde in Pia Spohns Elternhaus oft über den Krieg gesprochen. Kurz nach Ausbruch des zweiten Weltkriegs erhielt Pia Spohns Mutter einen Brief von einem Bekannten aus Mannheim. Er war jüdischer Herkunft und hatte Deutschland als Flüchtling verlassen. In Basel angekommen, wurde er im Sommercasino untergebracht. Pia Spohn und ihre Mutter eilten dorthin und suchten ihn. Pia Spohn war zu diesem Zeitpunkt etwa vier Jahre alt.

Pia Spohn kann sich an einen hohen Zaun erinnern, der die Villa und den Park umgab. Durch die Maschen konnte sie hinüber zum Sommercasino blicken und sah im Park Leute auf und ab gehen. Nach kurzer Zeit entdeckten sie und ihre Mutter den Bekannten. Durch den Zaun konnte sich ihre Mutter mit ihm unterhalten. "Sie waren glücklich und traurig zugleich", erinnert sich Pia Spohn. Ihre Mutter hatte ihr eine Schokolade gegeben, die sie dem Herrn zuwerfen sollte. "Das hat aber erst nach einer Weile geklappt, da der Zaun sehr hoch war", erinnert sie sich.

Bis 1942 blieb das Sommercasino ein Internierungslager. Der Strom der Flüchtlinge ab. Die Schweiz hatte ihre Grenzen geschlossen. Eine kurze Zeit beherbergte die alte Villa ein Brockenhaus, dann lebten Sozialhilfeempfänger in den alten Zimmern. Das Sommercasino auf seinem ruhigen Hügel verwaiste und kam herunter. Die Treppenstufen der Veranda waren zerbrochen, die Fenster mit Holzplanken vernagelt. Die Regierung diskutierte sogar, ob man die alte Villa abreissen sollte.

Dann die Wende: 1962 übernahm die Jugendarbeit Basel die Villa und eröffnete darin das erste Jugendhaus der Schweiz. Das Sommercasino wurde herausgeputzt, renoviert und die Räume für ihre neue Nutzung umgebaut. Die alte Villa sollte ein Zufluchtsort für die Jugendlichen von Basel sein, ein Ort wo sie sich beschäftigen konnten. In den oberen Stockwerken wurden Ateliers eingerichtet. Dort konnte man Kerzen ziehen, töpfern, Theater und Billard spielen.

Ende der 1960-er Jahre war das Sommercasino einer der wenigen Orte, wo Jugendliche tanzen gehen konnten. Im Keller der Villa richteten ein paar junge Männer einen Club ein. Aus einer alten Tramführerkabine gestalteten sie ein DJ-Pult und legten an vielen Abenden moderne Musik auf: kein Jazz, kein Schlager. Endlich, dachten viele. Die Disco «Trämmli» prägte viele Generationen. Viele junge Baslerinnen und Basler lernten im Sommercasino das Nachtleben kennen, besuchten dort ihr erstes Konzert oder plauderten auf den Stufen der alten Veranda ganze Nächte durch.

Erinnerungen zum Sommercasino

Nicht nur erste Konzerte wurden besucht, scheue Küsse verteilt und Biere getrunken. Auch musiziert wurde viel. Das Sommercasino in Basel war und ist heute noch ein Tempel für Nachwuchsmusikerinnen und Nachwuchsmusiker. So verhalf der Nachwuchswettbewerb «Sprungbrett» beispielsweise Adrian Sieber, Sänger der «Lovebugs», zum ersten Mal auf die Bühne. Heute tourt er durch ganz Europa. Rückblickend zweifelt er daran, ob er den Sprung in die Musikerszene geschafft hätte, wenn er sich damals, 1993, nicht auf die Bühne des Sommercasinos getraut hätte: «Ich verdanke diesem Haus so viel. Dort habe ich so viel gelernt.”

Auch heute noch machen viele junge Leute im Sommercasino den ersten Schritt auf eine Bühne. Das Haus wird seit 2016 vom Verein Junge Kultur Basel betrieben und ist heute kein Jugendhaus mehr. Konzerte und Kulturveranstaltungen finden jedoch immer noch statt.

Sendetermine der Radiosendung zur Geschichte des Sommercasinos:

Erste Ausstrahlung:
Samstag, 11. Januar 2020, 16:00 Uhr, Radio X, Hörbox
Wiederholung:
Sonntag , 12. Januar 2020, 10:00 Uhr, Radio X, Hörbox

Dieser Beitrag ist Hanna Girards Diplomarbeit, die im Rahmen ihrer Ausbildung an der Schweizer Journalistenschule MAZ entstanden ist.

Herzlich dankt sie:
Dominik Asche, Danielle Bürgin, Benedikt Erni, Mich Gehri, George Hennig, Jennifer Jans, Ueli Jäggi, Thomas Jenny, Max Kaufmann, Matieu Klee, Patrick Künzle, Michaela Liechti, Claire Micallef, Melchior Quitt, Benedikt Pfister, Adrian Sieber, Pia Spohn, Philipp Thurnherr

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