"Ich habe eher das Gefühl, es sind wie drei Jahre" - Tanja Soland im Gespräch

Am 25. Oktober wählen die Basler Wahlbürger*innen neben den 100 Mitglieder des Grossen Rats die sieben Mitglieder des Regierungsrats inklusiv Regierungspräsident/in. Tanja Soland (SP) ist die amtsjüngste im Basler Regierungsrat - am 1. Februar 2020 trat sie die Nachfolge ihrer Parteikollegin Eva Herzog an. Wir haben die Finanzdirektorin zum Gepräch getroffen:  von Claire Micallef

20.10.18. Tanja Soland im Wahlkampf

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Tanja Soland, Ihr letzter Wahlkampf ist noch gar nicht so lange her: Gerade mal vor einem Jahr waren Sie mitten im Wahlkampf um die Nachfolge von Eva Herzog im Regierungsrat. Jetzt sind Sie im Regierungsrat und schon wieder im Wahlkampf, dieses Mal geht es um die Wiederwahl. Unterscheidet sich dieser Wahlkampf stark von jenem im letztem Herbst?

Tanja Soland: Ja, es ist schon ziemlich anders. Ich arbeite neben dem Wahlkampf relativ viel, weil ich mich noch einarbeite. Daher ist der Wahlkampf etwas nebensächlicher geworden. Ich muss in erster Linie schauen, dass im Departement alles läuft.

 

Am 1. Februar 2020 traten Sie das Amt als Finanzdirektorin von Basel-Stadt an. Dabei wurden Sie relativ schnell mit der Corona Krise konfrontiert, Sie mussten rasch Entscheidungen treffen. Hat die Corona Krise Ihren Einstieg in das Amt erschwert?

Ja massiv, nach drei Wochen ging es los. Die Leute gingen ins Homeoffice, ich konnte die üblichen Mitarbeitertreffen nicht haben, ich hatte auch keine Veranstaltungen. Ich musste gleich wichtige Hilfsmassnahmen aufziehen, anstatt mich einzuarbeiten und selbst zu schauen, was ich machen wollte. Nach kurzer Zeit habe ich eigentlich nur noch Corona-Hilfsmassnahmen aufgesetzt und erst viel später gelernt, was man eigentlich für Abläufe braucht und beachten muss.

 

Hat die Coronakrise Sie auf Themen sensibilisiert, die Sie davor nicht wirklich auf dem Schirm hatten?

Das ist jetzt noch schwierig. Ich arbeitete früher in der Psychiatrie – ich bin ursprünglich Krankenschwester – daher war es nicht völlig überraschend. Ich kam bestimmt schneller mit Personalthemen in Kontakt, weil sie natürlich auch Angst hatten: Was machen wir jetzt? Unsicherheit, was wir am Schalter machen. Was machen wir mit den Vulnerablen? Ich musste bei Personalthemen viele Entscheidungen treffen. Dies kam viel früher als angenommen: Zu sehen, was macht man jetzt, wenn man plötzlich um die 500 Mitarbeitende unter sich hat. Dass man zu ihnen schaut und Entscheidungen trifft, die auch sinnvoll sind und Mitarbeitende schützt.

 

Sie sind seit gut acht Monaten im Amt. Schauen wir doch auf diese acht Monate zurück: Auf was sind Sie besonders stolz, was Sie und Ihr Departement in dieser Zeit erreicht haben?

Ich habe eher das Gefühl, es sind wie drei Jahre. Lacht. Was wir erreicht haben? Bestimmt, dass wir die Hilfsmassnahmen mit den Mietzinsen mitstarten konnten, das «Drei-Drittel-Paket», welches – glaube ich – wirklich vielen Leuten geholfen hat. Dass bei Einigung zwischen Mieter und Vermieter wir auch noch einen Drittel vom Kanton geben, das war, glaube ich, das Grösste, was wir bis jetzt gemacht haben.

 

Wenn man eine neue Stelle antritt, hat man immer gewisse Vorstellungen, wie diese Stelle / dieses Amt sein wird. Gibt es etwas, was Sie unterschätzt haben?

Das ist noch schwierig. Ich war ja immer sehr nahe dran bei Eva Herzog, deswegen habe ich in Vieles auch hineingesehen. Schwierig ist vielleicht, dass man plötzlich als Chefin angesehen wird. Wenn ich etwas sage, dann machen sie es auch so. Das hat etwas Ungewohntes, weil manchmal möchte ich einfach diskutieren und meine Meinung sagen. Hier muss ich etwas aufpassen, dass ich zuerst Meinungen abhole, bevor ich etwas sage. Denn sonst rennen die Leute schon los und haben das Gefühl, jetzt müssen wir es genau so machen. Aber ich will ja auch, dass man mir kritisch kontert. Hier habe ich gemerkt, das ist noch etwas speziell. Es ist irgendeine Frage im Raum und dann schauen einem alle an und ich denke: «Ah, muss ich jetzt das entscheiden?» Und dann muss ich zuerst schauen, dass ich auch noch Meinungen abhole. Dass man quasi nicht das Gefühl hat, ich muss jetzt alles gleich sagen. Auch bei kleinen Themen. Bei grossen politischen Themen ist es klar. Aber auch bei der Frage, wie man gewisse Sachen im Departement macht, also Kleinigkeiten. Das habe ich etwas unterschätzt, dass dann alle Augen auf mich kommen. Aber ich hoffe, wir bekommen das auch noch weg, damit wir dann mehr untereinander oder im Team im Diskurs besprechen können.

 

Welches waren in diesen acht Monaten Ihre Kernmomente?

Während der Krise, da mussten schnell Entscheidungen getroffen werden. Ich musste in die Schalterhalle, um zu sehen, wie es dort aussieht, wie es abläuft. Dann habe ich zwei neue Dienststellenleitende angestellt, was für das Departement bestimmt auch sehr prägend war. Ich habe beschlossen, dass wir gewisse Sachen mehr transparent machen, dass wir mehr an die Öffentlichkeit gehen. Zum Beispiel haben wir die Hochrechnung präsentiert. Es gab aber auch kleinere Sachen, bei denen ich gesagt habe: «Dann machen wir doch gleich eine Medienmitteilung.» Dieses «Gegen-Aussen-Arbeiten», «Mehr-Öffentlich-sein», das ist vielleicht auch noch etwas, was ich ein wenig reingebracht habe.

 

Bis jetzt haben wir auf die vergangenen acht Monate zurückgeschaut. Aber schauen wir doch nach vorne: Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die grossen Herausforderungen von Basel-Stadt?

Einerseits müssen wir jetzt lernen, mit Corona zu leben. Ich hoffe, dass wir das einigermassen in den Griff bekommen. Der Winter wird sicher hart. Dann müssen wir aber bestimmt auch in den Klimaschutz investieren, damit wir hier vorwärts machen. Längerfristig ist dies wahrscheinlich noch viel problematischer als Corona, man sieht es einfach nicht so schnell. Hier wird man investieren müssen, hier muss man das Denken in den Köpfen ändern. Dann muss sich aber bestimmt auch die Wirtschaft in diesem Bereich bewegen und die Mobilität muss sich verändern. Eine andere Herausforderung ist aber auch die Verdichtung. Wir müssen enger zusammenrücken, wobei ich glaube, wir müssen einfach im Wohnen enger zusammenrücken, damit wir genügend Platz für Grünanlagen haben. Ich glaube, dies braucht noch eine Entwicklung, damit wir das schaffen und es nicht nur als negativ erleben, wenn die Gebäude zum Beispiel höher werden.

 

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Regierungsrat / eine gute Regierungsrätin aus?

Einerseits braucht man einen politischen Kompass, andererseits muss man den Leuten zuhören. Man muss den Wünschen der Bevölkerung zuhören und sie ernst nehmen. Dann braucht man auch einen gewissen Gestaltungswillen, damit man wirklich etwas bewegen möchte und dies auch durchzusetzen versucht. Weiter wichtig ist eine gewisse Verbundenheit mit dem Ort, mit dem Kanton, in dem man lebt, damit man sagt: «Es ist mir wichtig, dass es uns hier gut geht.» Also, dass man hier eine Verbundenheit hat und nicht abgehoben wird. Dass es einem wirklich wichtig ist, durch die Strassen zu gehen und das Gefühl zu haben, die Leute fühlen sich hier wohl.

 

Tanja Soland, in einer Woche ist Wahlsonntag. Ist dieser Tag in der nächsten Woche für Sie omnipräsent in Ihrem Alltag oder eher nebensächlich, neben dem täglichen Geschäft?

Ich nehme an, er wird nächste Woche omnipräsent. Ich bin jemand, die solche Sachen immer wegschiebt. Jetzt bin ich voll am Arbeiten. Es gibt noch viele andere wichtige Sachen und das mache ich immer so. Und je näher der Wahlsonntag kommt, je präsenter wird er. Aber ich stelle mich auf die Sachen erst ein, wenn sie dann wirklich vor der Türe stehen.

"Ich habe eher das Gefühl, es sind wie drei Jahre" - Tanja Soland im Gespräch

Am 25. Oktober wählen die Basler Wahlbürger*innen neben den 100 Mitglieder des Grossen Rats die sieben Mitglieder des Regierungsrats inklusiv Regierungspräsident/in. Tanja Soland (SP) ist die amtsjüngste im Basler Regierungsrat - am 1. Februar 2020 trat sie die Nachfolge ihrer Parteikollegin Eva Herzog an. Wir haben die Finanzdirektorin zum Gepräch getroffen:  von Claire Micallef

20.10.18. Tanja Soland im Wahlkampf

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Tanja Soland, Ihr letzter Wahlkampf ist noch gar nicht so lange her: Gerade mal vor einem Jahr waren Sie mitten im Wahlkampf um die Nachfolge von Eva Herzog im Regierungsrat. Jetzt sind Sie im Regierungsrat und schon wieder im Wahlkampf, dieses Mal geht es um die Wiederwahl. Unterscheidet sich dieser Wahlkampf stark von jenem im letztem Herbst?

Tanja Soland: Ja, es ist schon ziemlich anders. Ich arbeite neben dem Wahlkampf relativ viel, weil ich mich noch einarbeite. Daher ist der Wahlkampf etwas nebensächlicher geworden. Ich muss in erster Linie schauen, dass im Departement alles läuft.

 

Am 1. Februar 2020 traten Sie das Amt als Finanzdirektorin von Basel-Stadt an. Dabei wurden Sie relativ schnell mit der Corona Krise konfrontiert, Sie mussten rasch Entscheidungen treffen. Hat die Corona Krise Ihren Einstieg in das Amt erschwert?

Ja massiv, nach drei Wochen ging es los. Die Leute gingen ins Homeoffice, ich konnte die üblichen Mitarbeitertreffen nicht haben, ich hatte auch keine Veranstaltungen. Ich musste gleich wichtige Hilfsmassnahmen aufziehen, anstatt mich einzuarbeiten und selbst zu schauen, was ich machen wollte. Nach kurzer Zeit habe ich eigentlich nur noch Corona-Hilfsmassnahmen aufgesetzt und erst viel später gelernt, was man eigentlich für Abläufe braucht und beachten muss.

 

Hat die Coronakrise Sie auf Themen sensibilisiert, die Sie davor nicht wirklich auf dem Schirm hatten?

Das ist jetzt noch schwierig. Ich arbeitete früher in der Psychiatrie – ich bin ursprünglich Krankenschwester – daher war es nicht völlig überraschend. Ich kam bestimmt schneller mit Personalthemen in Kontakt, weil sie natürlich auch Angst hatten: Was machen wir jetzt? Unsicherheit, was wir am Schalter machen. Was machen wir mit den Vulnerablen? Ich musste bei Personalthemen viele Entscheidungen treffen. Dies kam viel früher als angenommen: Zu sehen, was macht man jetzt, wenn man plötzlich um die 500 Mitarbeitende unter sich hat. Dass man zu ihnen schaut und Entscheidungen trifft, die auch sinnvoll sind und Mitarbeitende schützt.

 

Sie sind seit gut acht Monaten im Amt. Schauen wir doch auf diese acht Monate zurück: Auf was sind Sie besonders stolz, was Sie und Ihr Departement in dieser Zeit erreicht haben?

Ich habe eher das Gefühl, es sind wie drei Jahre. Lacht. Was wir erreicht haben? Bestimmt, dass wir die Hilfsmassnahmen mit den Mietzinsen mitstarten konnten, das «Drei-Drittel-Paket», welches – glaube ich – wirklich vielen Leuten geholfen hat. Dass bei Einigung zwischen Mieter und Vermieter wir auch noch einen Drittel vom Kanton geben, das war, glaube ich, das Grösste, was wir bis jetzt gemacht haben.

 

Wenn man eine neue Stelle antritt, hat man immer gewisse Vorstellungen, wie diese Stelle / dieses Amt sein wird. Gibt es etwas, was Sie unterschätzt haben?

Das ist noch schwierig. Ich war ja immer sehr nahe dran bei Eva Herzog, deswegen habe ich in Vieles auch hineingesehen. Schwierig ist vielleicht, dass man plötzlich als Chefin angesehen wird. Wenn ich etwas sage, dann machen sie es auch so. Das hat etwas Ungewohntes, weil manchmal möchte ich einfach diskutieren und meine Meinung sagen. Hier muss ich etwas aufpassen, dass ich zuerst Meinungen abhole, bevor ich etwas sage. Denn sonst rennen die Leute schon los und haben das Gefühl, jetzt müssen wir es genau so machen. Aber ich will ja auch, dass man mir kritisch kontert. Hier habe ich gemerkt, das ist noch etwas speziell. Es ist irgendeine Frage im Raum und dann schauen einem alle an und ich denke: «Ah, muss ich jetzt das entscheiden?» Und dann muss ich zuerst schauen, dass ich auch noch Meinungen abhole. Dass man quasi nicht das Gefühl hat, ich muss jetzt alles gleich sagen. Auch bei kleinen Themen. Bei grossen politischen Themen ist es klar. Aber auch bei der Frage, wie man gewisse Sachen im Departement macht, also Kleinigkeiten. Das habe ich etwas unterschätzt, dass dann alle Augen auf mich kommen. Aber ich hoffe, wir bekommen das auch noch weg, damit wir dann mehr untereinander oder im Team im Diskurs besprechen können.

 

Welches waren in diesen acht Monaten Ihre Kernmomente?

Während der Krise, da mussten schnell Entscheidungen getroffen werden. Ich musste in die Schalterhalle, um zu sehen, wie es dort aussieht, wie es abläuft. Dann habe ich zwei neue Dienststellenleitende angestellt, was für das Departement bestimmt auch sehr prägend war. Ich habe beschlossen, dass wir gewisse Sachen mehr transparent machen, dass wir mehr an die Öffentlichkeit gehen. Zum Beispiel haben wir die Hochrechnung präsentiert. Es gab aber auch kleinere Sachen, bei denen ich gesagt habe: «Dann machen wir doch gleich eine Medienmitteilung.» Dieses «Gegen-Aussen-Arbeiten», «Mehr-Öffentlich-sein», das ist vielleicht auch noch etwas, was ich ein wenig reingebracht habe.

 

Bis jetzt haben wir auf die vergangenen acht Monate zurückgeschaut. Aber schauen wir doch nach vorne: Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die grossen Herausforderungen von Basel-Stadt?

Einerseits müssen wir jetzt lernen, mit Corona zu leben. Ich hoffe, dass wir das einigermassen in den Griff bekommen. Der Winter wird sicher hart. Dann müssen wir aber bestimmt auch in den Klimaschutz investieren, damit wir hier vorwärts machen. Längerfristig ist dies wahrscheinlich noch viel problematischer als Corona, man sieht es einfach nicht so schnell. Hier wird man investieren müssen, hier muss man das Denken in den Köpfen ändern. Dann muss sich aber bestimmt auch die Wirtschaft in diesem Bereich bewegen und die Mobilität muss sich verändern. Eine andere Herausforderung ist aber auch die Verdichtung. Wir müssen enger zusammenrücken, wobei ich glaube, wir müssen einfach im Wohnen enger zusammenrücken, damit wir genügend Platz für Grünanlagen haben. Ich glaube, dies braucht noch eine Entwicklung, damit wir das schaffen und es nicht nur als negativ erleben, wenn die Gebäude zum Beispiel höher werden.

 

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Regierungsrat / eine gute Regierungsrätin aus?

Einerseits braucht man einen politischen Kompass, andererseits muss man den Leuten zuhören. Man muss den Wünschen der Bevölkerung zuhören und sie ernst nehmen. Dann braucht man auch einen gewissen Gestaltungswillen, damit man wirklich etwas bewegen möchte und dies auch durchzusetzen versucht. Weiter wichtig ist eine gewisse Verbundenheit mit dem Ort, mit dem Kanton, in dem man lebt, damit man sagt: «Es ist mir wichtig, dass es uns hier gut geht.» Also, dass man hier eine Verbundenheit hat und nicht abgehoben wird. Dass es einem wirklich wichtig ist, durch die Strassen zu gehen und das Gefühl zu haben, die Leute fühlen sich hier wohl.

 

Tanja Soland, in einer Woche ist Wahlsonntag. Ist dieser Tag in der nächsten Woche für Sie omnipräsent in Ihrem Alltag oder eher nebensächlich, neben dem täglichen Geschäft?

Ich nehme an, er wird nächste Woche omnipräsent. Ich bin jemand, die solche Sachen immer wegschiebt. Jetzt bin ich voll am Arbeiten. Es gibt noch viele andere wichtige Sachen und das mache ich immer so. Und je näher der Wahlsonntag kommt, je präsenter wird er. Aber ich stelle mich auf die Sachen erst ein, wenn sie dann wirklich vor der Türe stehen.