Regierungsratswahlen BL: Anton Lauber im Interview
In gut zwei Wochen wird im Baselbiet eine neue Regierung gewählt. Insgesamt treten acht Kandidierende für die fünf Sitze im Regierungsrat an, darunter der amtierende Finanzdirektor Anton Lauber (Mitte). Wie der Kanton die Bevölkerung bei den steigenden Krankenkassenprämien entlasten kann, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen für ihn ist und wie es um die Reform der Einkommenssteuer steht, wir haben bei Anton Lauber nachgefragt. von Claire Micallef
23.01.27 Anton Lauber im Interview
Radio X stellt dir die acht Kandidierenden für den Baselbieter Regierungsrat vor.
Mit welchem Wort würden Sie sich für unsere Hörer:innen beschreiben?
Da würde ich sagen: der Arbeitsame.
Werfen wir einen Blick zurück auf die letzte Legislatur. Wo haben Sie Ihrer Meinung nach die grössten Akzente gesetzt?
Es gab zwei Themen, die als Volksabstimmungen ziemlich diskutiert wurden. Das eine war die Revision des Sozialhilfegesetzes, bei dem es Widerstand gegeben hat, ich aber der Meinung bin, dass wir insgesamt eine gute Lösung gefunden haben. Lösungen, die sich bereits bewähren. Es ging in einem ersten Schritt darum, die Motivation und weniger die Repression in den Vordergrund zu stellen und um das Assessmentcenter, welches wir einführen wollten. Das Positive ist, wir haben einen automatischen Teuerungsausgleich ins Gesetz aufgenommen. Dieser zieht gerade jetzt zum Zeitpunkt, in dem wir wieder eine Teuerung haben. Das andere Thema war die Vermögenssteuerreform 1, bei der wir auch eine Volksabstimmung hatten, die ich gewinnen durfte. Dabei ging es darum, die Baselbieter Steuerwerte auf Wertpapiere abzuschaffen und gleichzeitig das Baselbiet im steuerlichen Wettbewerb, den es trotz allem gibt, etwas besser zu positionieren. Wir sind nun nicht mehr auf den letzten Plätzen bei der Vermögenssteuer für natürliche Personen, sondern im hinteren Mittelfeld. Ich denke, das war im finanzpolitischen Rahmen ein wichtiger Schritt für die Attraktivität des Baselbiets.
Stichwort Vermögenssteuerreform: Können wir bei einer Wiederwahl am 12. Februar erwarten, dass es in den nächsten vier Jahren eine Reform bei der Einkommenssteuer gibt?
Aus Sicht des Baselbiets gibt es Handlungsbedarf, das ist unbestritten. Bei den tiefen Einkommen, das heisst bis 60'000 Franken brutto bei einer vierköpfigen Familie, sind wir sehr sozial unterwegs. Hier haben wir gar keine Steuersätze, man ist eigentlich von den Steuern befreit. Das heisst, bei tiefen Einkommen sind wir sehr gut positioniert, gesamtschweizerisch in den ersten Plätzen. Wenn wir aber von einem Bruttoeinkommen von 200'000 / 300'000 Franken reden, lässt diese Rangierung sehr schnell nach und wir landen auf den Plätzen 22, 23, 24. Das ist natürlich eine schlechte Visitenkarte nach aussen. Wenn ich einen Steuerberater, einen Anwalt oder einen Treuhänder frage, wird er mir nicht als erstes das Baselbiet als Domizil empfehlen. Deswegen besteht ein Handlungsbedarf. Wir haben zum Ziel, nach Möglichkeit erste Umsetzungsschritte per 2025 oder 2027 anzugehen. Ich gehe davon aus, dass es wieder eine Volksabstimmung geben wird, und wir müssen dafür sorgen, dass die Lösung ausgewogen und tragbar ist. Tragbar in dem Sinne, weil der Kanton Basel-Landschaft auch nicht beliebig Mittel zur Verfügung hat. Wenn weniger Steuererträge kommen, zumindest in der Anfangsphase, müssen wir sicher sein, dass wir diese später wieder kompensieren können. Aber auf der anderen Seite müssen wir die Lösung auch kurzfristig tragen können.
Ein weiteres Thema, das die Bevölkerung beschäftigt, sind die steigenden Krankenkassenprämien. Plant das Baselbiet, in den nächsten Jahren Schritte zu unternehmen, um die Bevölkerung zu entlasten? Oder braucht es überhaupt Unterstützung durch den Kanton?
Doch, da braucht es Unterstützung. Wir haben da ein vielschichtiges Problem. Fakt ist, dass die Gesundheitskosten immer steigen, dies ist die Ursache. Und bei der Ursache tun wir uns enorm schwer, Massnahmen zu finden und uns darauf zu einigen, dass das Kostenwachstum gedämmt wird. Dies wäre der erste Schritt. Es liegt aber nicht primär bei den Kantonen, das Problem zu lösen. Wir sind auch auf die Mithilfe des Bundes angewiesen und dort wird es ja auch diskutiert. Wir versuchen, dieser Situation mit den Prämienverbilligungen entgegenzutreten. Das heisst, wenn die Prämien wegen den steigenden Gesundheitskosten steigen: Wie weit wollen wir uns mit den Prämienverbilligungen entwickeln? Das haben wir gemacht. Wir haben vom 2018 bis ins 2022 die Prämienverbilligungen um rund 43 Millionen Franken erhöht, die wir an die Beziehenden ausschütten. Dies war ein ziemliches Wachstum in dieser Zeit und wir haben nun zu Lasten des Budgets 2023 gesagt, dass wir die Mehrkosten, die die Prämien nun ausgelöst haben, über eine Erhöhung der Prämienverbilligung bei den beziehenden Personen finanzieren. Etwa 11,2 Millionen Franken wurden deswegen mehr an die Prämienverbilligung ausgezahlt. Das heisst, das Kostenwachstum ist im Rahmen der Prämienverbilligung durch den Kanton aufgefangen worden. Weiter habe ich mehrere Vorstösse im Parlament, die sagen, die Prämienverbilligung solle noch weiterentwickelt werden. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Frage ist: Sollen mehr Leute Prämienverbilligungen beziehen können, öffnen wir quasi den Fächer, oder soll ein kleinerer Kreis mehr erhalten. Man kann nach Haushalt unterscheiden oder nach Alter, es gibt verschiedene Modelle, die wir bereits evaluiert haben. Aktuell verfolge ich mit meinen Mitarbeitenden vier mögliche Varianten und wir werden innert Frist auf die parlamentarischen Vorstösse – sogenannte Postulate – im Parlament Antwort geben.
Machen wir einen Schritt von den Finanzen weg: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit des Kantons Basel-Landschaft mit den Nachbarkantonen?
Die ist absolut zentral. Sie ist auch gut organisiert. Wir haben die Nordwestschweizer Regierungskonferenz mit Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Aargau, Solothurn und Jura. Diese fünf Kantone treffen sich regelmässig. Ich darf dort selbst im Ausschuss mitmachen und die Themen vorbereiten, ich durfte auch zwei Jahre lang Präsident sein. Dort haben wir übrigens zusammen die Klimacharta entwickelt. Aktuell steht die Thematik EU im Vordergrund. Das Rahmenabkommen. Für uns in der Region ist es ein Problem, dass wir noch kein Rahmenabkommen auf schweizerischer Ebene haben und zum Beispiel von Horizon ausgeschlossen sind. Als innovativer Standort mit Life Science auf Spitzenniveau und Medizinaltechnik etc. ist dieses Forschungsprogramm für uns enorm wichtig. Wir haben gemeinsam immer wieder an den Bundesrat interpelliert, auch im Rahmen anderer Konferenzen auf Bundesebene, bei denen ich dabei sein darf. Wir fordern den Bundesrat auf, mit einem Rahmenabkommen vorwärts zu machen und nach Möglichkeiten Lösungen auf Bundesebene zu erarbeiten, damit wir möglichst bald zu diesem Rahmenabkommen kommen. Wir haben in der Region einen sogenannten Erosionsmonitor der Economiesuisse. Dieser zeigt, dass die bestehenden bilateralen Abkommen veralten, wenn sie nicht erneuert werden. Das ist sicher kein gutes Zeichen und es steckt die latente Gefahr dahinter, dass sich Unternehmen neu organisieren. Es ist relativ einfach, von der Schweiz den Sitz nach Deutschland zu verlegen, wo man schon wieder die Anbindung an die EU hat und an die Programme kommt. Wenn es dann weiter ins Deutsche oder nach Europa oder sonst wo hingeht, wird es schwieriger, denn die Fachkräfte gehen mit, mit den Fachkräften geht die Innovation, mit der Innovation geht die spätere Wertschöpfung und Wertschöpfung bedeutet Arbeitsplätze und Wohlstand. Wir haben in der Schweiz bis jetzt immer stark davon profitiert und deswegen ist bei uns in der Nordwestschweiz das Interesse gross, dass wir im Bereich des Rahmenabkommens bald wieder klaren Tisch haben.
Vom Rahmenabkommen zurück in die Lokalpolitik: Wenn Sie etwas im Baselbiet verändern könnten – ein Gesetz, eine Steuer, ein Angebot – und Sie wären dabei finanziell völlig uneingeschränkt, niemand würde Ihnen widersprechen, was wäre es?
Lacht. Also finanziell völlig uneingeschränkt, das wäre eigentlich ein schöner Traum. Hier lehne ich mich vielleicht etwas aus dem Fenster, aber es ist trotzdem ein interessanter Ansatz. Wir haben innerhalb der Verwaltung eine Projektorganisation aufgebaut, bei der es um die familienergänzende Betreuung geht. Ein Anliegen, das aus den unterschiedlichsten Aspekten viel diskutiert wird, basierend auf den Fragen der Gleichstellung, des Fachkräftemangels – wenn wieder mehr Frauen in den ersten Arbeitsmarkt gehen würden etc. Die Frage der Kinderbetreuung ist das Hauptthema der Chancengleichheit. Wir haben verschiedenste Vorstösse, es ist auch eine Initiative hängig. Ich bin also nicht ganz frei, aber ich wäre froh, wenn wir eine Lösung an einem grossen runden Tisch erarbeiteten. Die Sachlage ist auch hier recht kompliziert. Die Kompetenz bei der familienergänzenden Betreuung liegt eigentlich bei den Gemeinden. Wir haben 86 Gemeinden und der Kanton ist hier nicht konkret engagiert. Die Frage ist, wollen die Gemeinden sich mehr und weiter engagieren? Wenn ja, in welche Richtung und wie könnte die neue Rolle des Kantons Basel-Landschaft sein? Und es geht auch um mehr, man kann die Betreuung im schulischen Bereich anschauen. Wir reden hier von Tagesschulen etc. Das heisst, es geht um das Ganze, ein Gesamtbild, das man erstellen und uns daraus eine Zielsetzung geben will. Wenn ich mir das wünschen dürfte, dann wäre mein Wunsch, dass dies möglichst einfach und erfolgreich über die Bühne gebracht werden könnte.