Regierungsratswahlen BL: Monica Gschwind im Interview
Am 12. Februar steht fest, wie die neue Regierung des Kantons Basel-Landschaft für die nächsten vier Jahre zusammengesetzt ist. Vier der bisherigen Regierungsrät:innen treten zur Wiederwahl an, darunter die amtierende Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP). Im Gespräch redet sie über Massnahmen gegen den Lehrer:innenmangel, das Verhältnis des Baselbiets zur EU und über die Digitalisierung im Bildungswesen. von Claire Micallef
23.02.04 Interview mit Monica Gschwind
Radio X stellt dir die acht Kandidierenden für den Baselbieter Regierungsrat vor.
Sie haben vor gut acht Jahren das erste Mal für den Regierungsrat kandidiert. Wie hat sich der Wahlkampf in dieser Zeit verändert?
Beim ersten Mal war natürlich alles anders. Da musste man aufzeigen, warum man kandidiert, was einem zum Amt befähigt usw. Jetzt ist es anders. Ich kann auf acht Jahre zurückschauen, auf viele Erfolge, die ich erzielen konnte. Deswegen ist es natürlich eine andere Ausgangslage.
Sie gelten als Regierungsrätin, die Kompromisse sucht, die Beteiligte einbezieht, wenn es um Entscheidungen, neue Vorlagen oder Gesetze geht. Inwiefern ist dies Ihrer Meinung nach eine wichtige Eigenschaft im Regierungsrat?
Es ist sehr wichtig, gerade im Bildungsbereich. Meiner Ansicht nach sind alle Beteiligten auch Teil der Lösung. Lösungen, die man am Schreibtisch entwickelt, können nicht tragfähig sein. Ich bin froh, wenn sich die Schulbeteiligten wie Verbände der Lehrpersonen, der Schulleitungen, die Schulräte usw. an den Diskussionen beteiligen. So können wir Massnahmen treffen, die auch in der Praxis funktionieren und das ist wichtig.
Wo konnten Sie in den letzten vier Jahren die grössten Akzente setzen?
Der grösste Akzent gelang im Bereich der Volksschulen. Wir haben das Massnahmepaket «Zukunft Volksschule» geschnürt, für das der Landrat 50 Millionen Franken freigegeben hat. Damit sollen die Grundkompetenzen Deutsch, Mathematik, Medien und Informatik gestärkt werden. Aber auch das Lesen steht im Zentrum, die berufliche Orientierung für leistungsschwächere Schüler und ein umfassendes Weiterbildungsprogramm für unsere Lehrerinnen und Lehrer während den nächsten sechs Jahren. Weiter haben wir die Brückenangebote neu aufgestellt und den Universitätsvertrag teilrevidiert. Dies war ein wichtiger Schritt in der Partnerschaft mit Basel-Stadt, damit wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Das sind wenige Punkte, aber ich könnte noch x weitere aufzählen, bei denen ich in den letzten Jahren Meilensteine setzen konnte.
Die Schweiz ist seit Abbruch der Gespräche um das Rahmenabkommen mit der EU nicht mehr beim Forschungsprogramm «Horizon Europe» dabei. Was bedeutet dies für Sie als Bildungsdirektorin?
Die Universität Basel ist natürlich massiv betroffen. Sie konnte immer viele europäische Grants einholen, das sind wichtige Drittmittel für die Universität. Zentral ist: Die Forschenden kommen an die Universität, wenn sie wissen, dass sie auch solche Drittmittel generieren und aus der EU erhalten können. Dies ist nicht mehr der Fall. Sie können auch nicht mehr «Leading House» sein. Das heisst, sie können in solchen Projekten nicht mehr führend sein, was sehr schwierig für die Universität ist. Aber auch für die Wirtschaft ist es schwierig: Man befürchtet, dass sehr gute Köpfe, die in der Region Basel für Innovation sorgen, schleichend abwandern. Deswegen müssen wir schauen, dass wir so bald wie möglich wieder ein voll assoziiertes Mitglied sind.
Eine Herausforderung für das Baselbiet ist der Lehrer:innenmangel. Was wird hier konkret unternommen, um dem entgegenzuwirken?
Das akzentuiert sich immer mehr, natürlich auch wegen der fortschreitenden Pensionierung der Baby-Boomer Jahrgänge. Zusätzlich haben wir steigende Schülerzahlen, da sind Lösungen gefragt. Ich beschäftige mich schon länger damit. Wir konnten nun an der PH zwei Lehrgänge lancieren. Dies einerseits für Quereinsteigende – also Leute, die schon 30 sind, eine Berufsausbildung und längere Berufserfahrung haben und nun an der PH studieren und gleichzeitig 50 Prozent in den Schulen arbeiten. Dann gibt es einen weiteren Studiengang, der auch mit einem Berufseinstieg kombiniert ist. Wir haben hier sehr gut gestartet und ich erhoffe mir einiges davon. Weiter haben wir Arbeitsgruppen gebildet, in denen alle Schulbeteiligten, Gewerkschaften usw. vertreten sind und wir gemeinsam Lösungen suchen und Massnahmen diskutieren. Das wird alles zusammengetragen und dann priorisieren wir, was wir am Regierungsrat vorschlagen wollen.
Eine weitere Herausforderung – nicht nur für das Baselbiet – ist der Klimawandel. Aus Sicht als Vorsteherin der Bildungs-, Kultur-, und Sportdirektion, was muss da gemacht werden?
Da bin ich nun nicht als Vorsteherin der BKSD gefragt, sondern als Regierungsrätin. Der Regierungsrat hat gemeinsam eine Strategie formuliert, die nun in die Vernehmlassung gegangen ist. Sobald wir Rückmeldungen haben, werden wir die definitive Strategie formulieren. Das ist dann natürlich eine wichtige Debatte im Landrat, bei der man sieht, wo wir Gesetzesanpassungen machen.
Aber man kann sagen, es fängt auch bei der Bildung an, dass Schüler:innen – obwohl sie bereits sehr aufgeklärt sind – noch mehr über ein klimabewusstes Leben aufgeklärt werden, zum Beispiel mit einem neuen Fach?
Es ist für mich klar, dass dies zentral und auch Teil des Lehrplans ist. Es ist bereits jetzt Teil des Lehrplans, dass Schülerinnen und Schüler wissen, was nachhaltig ist, was nicht und wie man mit diesen Fragen des heutigen Lebens umgehen muss. Das ist zentral.
Wo sehen Sie bei einer Wiederwahl die grössten Herausforderungen für die nächsten vier Jahre im Baselbiet, die unmittelbar angepackt werden müssen?
In meinem Bereich Bildung, Kultur und Sport, da gehört auch Jugend- und Behindertenhilfe dazu, haben wir das Wichtigste bereits angesprochen. Lehrpersonenmangel ist ein Punkt. Bei der Digitalisierung müssen wir die Schulen unterstützten, in Sachen Datenschutz müssen wir sie mehr sensibilisieren. Auch die pädagogischen Konzepte sind da wichtig. Es geht nicht nur darum, dass man mit digitalen Mitteln umgehen kann, sondern die digitalen Lehrmittel sind wichtig. Wie kann man diese gut in den Unterricht einbauen? Dann ist mir die Berufsbildung wichtig. Sie hat ein Image-Problem, so nehme ich das wahr. Dort müssen wir Schülerinnen und Schüler besser informieren können, damit sie sich mit ihren Fähigkeiten und Interessen auseinandersetzen und informiert sind, welche Bildungswege es gibt und dann den Bildungsweg wählen, der für sie der Richtige ist. Das ist ein wichtiges Thema. Und dann wollen wir ein Jugendhilfegesetz in Angriff nehmen, ein weiteres Thema ist die Qualitätssicherung der Volksschule und die Weiterbildungsoffensive der Lehrpersonen.
Thema familienergänzende Betreuung: Anfang Januar hat die zuständige Kommission ihren Bericht zur Kita-Initiative der SP veröffentlicht. Es soll einen Gegenvorschlag geben und die Behandlungsfrist der Initiative soll für zwei Jahre auf Eis gelegt sein. Letzten Sommer hat die Regierung diese Initiative ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Was muss Ihrer Meinung nach nun in einen solchen Gegenvorschlag, wie soll er sich von der Initiative unterscheiden?
Der Regierungsrat ist der Meinung, dass wir keinen Gegenvorschlag machen wollen. Dies aus folgendem Grund: Die Initiative greift zu kurz. Die Kindebetreuung wird nur bis zum Eintritt in die Primarschule angeschaut. Wir sind klar der Meinung, dass man die Kinderbetreuung bestimmt bis zum Ende der Primarschule sicherstellen muss und dass weitere Themen wie zum Beispiel steuerliche Abzüge auch mitberücksichtig werden müssen. Deswegen haben wir bereits vor längerer Zeit ein Projekt lanciert, bei dem die Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer den Lead hat, wenn es um die Diskussion des FEB-Gesetzes mit den Gemeinden geht. Ich bin im Lead bei den Tagesschulen. Das könnte ein Ansatz sein, um die Kinderbetreuung bis Ende Primarschule sicherzustellen. Wir müssen schauen, wie der Bedarf im Kanton Basel-Landschaft ist. Ich glaube, in Ammel haben wir nicht den gleichen Bedarf wie in Allschwil, wenn man das so plakativ sagen will. Zum Beispiel haben wir in Hölstein nicht einmal mehr einen Mittagstisch, weil es kein Bedürfnis gab. All dies müssen wir mitberücksichtigen. Wir werden nun Studien machen, was Zeit braucht, weil wir die Gemeinden mit ins Boot nehmen müssen. Diese sind bis jetzt Träger, auch im Bereich von FEB. Wie gesagt, das ganze muss übergreifend angeschaut werden. Die Initiative greift zu kurz und deswegen wollen wir keinen Gegenvorschlag formulieren.
Wenn Sie im Baselbiet etwas ändern könnten, ein Gesetz, ein Angebot, eine Vorlage, Sie wären dabei finanziell völlig uneingeschränkt und niemand würde Ihnen reinreden, was wäre es?
Diese Frage ist sehr hypothetisch und ich kann sie gar nicht beantworten. Am Schluss muss man immer alles ganzheitlich anschauen. Wir haben einen Aufgaben- und Finanzplan, der unsere Projekte und Vorhaben abbildet. Es liegt mir am Herzen, dass wir in den Bereichen, die ich vorher erwähnt habe, einen Schritt vorwärtskommen. Also in der Digitalisierung, Berufsbildung, Lehrpersonenmangel, Qualitätssicherung usw.
Zu Ihren Hobbies zählt lesen. Vielleicht kommen Sie aktuell wegen des Wahlkampfs weniger dazu, aber welches Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch?
Aktuell lese ich einen Krimi von Silvia Götschi, eine Schweizer Autorin. Sie schreibt hervorragend. Ich kann noch lesen, kurz bevor ich das Licht lösche. Es ist spannend und das brauche ich, damit ich den Kopf leeren und danach gut schlafen und mich erholen kann.