

Spuk auf allen Kanälen – Geister machen Filme, Games und Podcasts unsicher
Geister gehören zu den Stars unserer Kulturgeschichte. Sie spuken in den Podcast-Charts, bringen Millionen an die Kinokassen und treiben ihr Unwesen in digitalen Welten – mal in Horrorgames, mal in knuffigen Jump’n’Runs.Im Rahmen der Sonderausstellung "Geister" im Kunstmuseum Basel, blicken wir im ersten von drei Teilen unserer Featurereihe auf die Rolle von Geistern in der Popkultur: im Ton, auf der Leinwand und im Videospiel. von Mirco Kaempf
25.10.23 11h 25.10.24 00h Geister in der Popkultur (Podcasts, Filme, Games)
Das Themenfeld Geister, Legenden, Okkultismus und Spiritualität ist in unterschiedlichen Medien anzutreffen: von Filmen über TV-Serien bis zu Games und Podcasts. Hier kommen unsere Radio X-Game- und Filmspezialist:innen zu Wort und blicken auf kultige wie auch hippe Games und Movies.
Geister & Podcasts
Das Bild kennen wir alle: ein Lagerfeuer, eine Taschenlampe, die von unten ins Gesicht leuchtet – und dann die Stimme, die eine Geistergeschichte erzählt. Dieses Ritual begleitet die Menschheit (in ähnlichen Formen) seit Jahrtausenden. Schon früh dienten solche Geschichten nicht nur der Unterhaltung, sondern auch als Warnungen – Märchen, die Kindern Grenzen aufzeigten und Erwachsene an das Unheimliche erinnerten, das jenseits der Feuerstelle lauert.
Simone Karpf, Hörspielproduzentin bei SRF, führt diese Tradition fort. Seit 2020 ist sie Teil des Teams hinter dem Podcast GRAUEN, einer Audio-Serie, die klassischen Grusel neu interpretiert. Die erste Folge begann – ganz traditionell – am Lagerfeuer. Eine Hommage an die uralte Kunst des Erzählens, die sich bis in prähistorische Zeiten zurückverfolgen lässt: Mesopotamische Grabbeigaben deuten bereits auf einen Glauben ans Übernatürliche hin. Und in späteren Kulturen – von Ägypten bis Griechenland – sorgten Rituale dafür, dass Seelen ihren Weg ins Jenseits fanden. Wenn sie das nicht taten, begann der Spuk.
„Angst ist das Erleben des Augenblicks vor der Handlung“, schrieb der dänische Philosoph Søren Kierkegaard. Wenn wir uns fürchten, spüren wir unsere Freiheit – und den möglichen Verlust derselben. Der Grusel wird damit zu einem sicheren Spielplatz für unsere Ängste. Und das kann, paradox genug, beruhigend wirken.
Doch Gruseln darf auch Spass machen. Und heute, im Zeitalter der Mikrofone und Streamingdienste, kann sich jede und jeder als Spukmeister versuchen. Podcasts wie Welcome to Night Vale, Lore oder The Magnus Archives zeigen, wie lebendig das Genre geblieben ist. Ob amerikanische Folklore, urbane Legenden oder Lovecraft-Neuinterpretationen – das Unheimliche ist längst wieder in Mode.
Geister & Kino
Der grösste Horror spielt sich im Kopf ab – in Szenen man nicht sieht, denn das Unsichtbare trifft uns tiefer als jedes Spezialeffekt-Monster. Das wusste auch Alfred Hitchcock. Und dennoch war das Kino wohl der erste Ort, an dem Menschen Geister gemeinsam erleben konnten – kollektiv, in einem dunklen Saal. Seit Georges Méliès 1896 den ersten Spuk auf Zelluloid bannte, sind Geister auf der Leinwand so wandelbar wie unsere Ängste, erklärt Katja Morand, Filmfestkuratorin und Mitarbeiterin im Stadtkino Basel.
In Hereditary (2018) etwa stehen Heimsuchungen für familiäre Traumata, in Pans Labyrinth (2006) wird das Übernatürliche zum Symbol politischer Unterdrückung. Poltergeist (1982) wiederum erzählt von kolonialen Schatten – ein Haus auf einem indigenen Grab.
Geister spiegeln ihre Zeit. Der Vampir als Bild für dekadente Aristokratie, der Zombie als Metapher für eine entfremdete Konsumgesellschaft – das alles sind Varianten desselben Themas: die Angst vor Kontrollverlust.
Interessant ist dabei auch die ökonomische Seite: Horrorfilme gelten in Hollywood als verlässliche Renditemaschinen. Paranormal Activity kostete gerade einmal 15'000-mit post-production 200’000 Dollar – und spielte über 200 Millionen Dollar ein.
Das Stadtkino Basel widmet dem Spuk seit 2023 jeden Oktober seinen eigenen „Spooktober“. In diesem Jahr läuft parallel zur Ausstellung Geister im Kunstmuseum eine kleine Filmreihe: Personal Shopper (2017) mit Kristen Stewart und der Kinderfilm Das kleine Gespenst (2013) – Grusel für Gross und Klein, als Kino-Ritual im sicheren Dunkel.
Geister & Games
Doch was passiert, wenn wir nicht nur zuschauen, sondern selbst handeln müssen? Wenn der Spuk auf unsere Entscheidungen reagiert?
Der Luzerner Entwickler Michel Ziegler weiss, wie intensiv das werden kann. Sein Game Mundaun (Steam / PS4 / Xbox / Switch) entführt Spieler in ein abgelegenes Bergdorf, inspiriert von Sagen aus Graubünden. Das gesamte Spiel ist handgezeichnet – in Schwarzweiss, wie mit Kohle gemalt. Die Ästhetik wirkt archaisch, fast wie ein Fiebertraum.
Man folgt einem jungen Mann, der zur Beerdigung seines Grossvaters reist – und bald merkt, dass die Leiche fehlt. Hinter der dörflichen Idylle verbirgt sich ein alter Fluch, gespeist aus lokaler Folklore: Teufelspakte, sprechende Ziegen, Heumenschen. Der Horror ist nicht laut, sondern leise, schleichend – ein Spiegel innerer Konflikte.
Ziegler spricht von einem „magischen Ort“. Und tatsächlich beschreibt der niederländische Kulturtheoretiker Johan Huizinga Spiele als Magic Circle: geschützte Räume, in denen wir mit anderen Regeln leben. In Horrorgames können wir uns angstfrei fürchten – im Wissen, dass wir jederzeit aussteigen können.
Horror in Videospielen ist eine Nische, aber eine wachsende. Indie-Studios auf Plattformen wie Steam bringen laufend neue Titel heraus – von nostalgischen Silent Hill-Hommagen bis zu narrativen Walking Simulators, die wie Geisterbahnen funktionieren.
Geister nehmen dort viele Formen an: von den niedlichen Boos in Super Mario über die Multiplayer-Geisterjagd in Phasmophobia bis zum japanischen Rachegeist im neuen Samurai-Spiel Ghost of Yotei. Selbst Star-Entwickler Hideo Kojima hat angekündigt, für sein nächstes Spiel einen echten Geist zu „scannen“.
Geister sind überall – in unseren Geschichten, unseren Geräten, unseren Köpfen. Sie sind Teil unserer Popkultur, aber auch Spiegel unserer Zeit.
