Album der Woche: Los Thuthanaka

Das Debütalbum von Los Thuthanaka ist ein anspruchsvolles Instrumentalalbum, tief verwurzelt in der Aymara-Kultur. Das Geschwisterpaar hinter dem Projekt hat es geschafft, ein antikoloniales Meisterwerk zu erschaffen, das einen in Trance durch eine queere Welt voller verzerrter Gitarren, Synth-Stabs, Samples von bellenden Hunden und DJ-Tags führt. von Dion Monti

25.05.05 - Los Thuthanaka - ADW Podcast

Da neue Album von Los Thuthanaka

Selten erscheint ein Album, über das zu sprechen so schwierig ist. Das Album der Woche, Los Thuthanaka vom gleichnamigen Duo, ist ein solches.
Es ist ein Album, das für westliche Ohren so fremd klingt, dass wir im Westen es sofort als experimentell bezeichnen würden – was jedoch eine banale Vereinfachung wäre und dem Album nicht gerecht wird. Es ist ein politisches Album, das den persönlichen Bezug zur Zeit in Frage stellt. Ein Album voller Paradoxien: Es klingt brutal, fühlt sich aber auf eine Art heilend an. Es ist kataklysmisch und gleichzeitig voller Hoffnung, modern und zugleich traditionell.

Das Album wird getragen von Tanzrhythmen wie Huayno, Caporales und Kullawada, allesamt traditionelle Tänze aus den Anden. Dazu kommen rohe Gitarrenriffs und Akkorde, die auf einer doppelhalsigen Keytar eingespielt wurden. Ein weiteres markantes Element sind repetitive Samples und DJ-Tags sowie wiederholte CDJ-Spins, wie am Ende des Songs IPI SAXRA.

Das Duo besteht aus den Geschwistern Chuquimaimani Condori und Joshua Chuquimia Crampton, die dem Aymara-Volk angehören, einer indigenen Gruppe aus den südamerikanischen Anden. Chuquimaimani Condori sagt, dass in der Aymara-Kultur die Zukunft nicht vor einem liegt, sondern hinter einem – vorwärts gehen heisst also auch rückwärts gehen.

Der Bezug zur Zeit durchzieht das gesamte Album. Sieben von acht Songs sind über fünf Minuten lang und versetzen einen in eine Trance aus Zeitlosigkeit und rauer Euphorie. Die Produktion klingt verzerrt, als stünde man physisch vor einer viel zu lauten Soundanlage und würde dazu tanzen – wie etwa im Song Jallalla Ayllu Pahaza Marka Qalaqutu Pakaxa.

Durch die klare Benennung der traditionellen Rhythmen, auf denen die meisten Songs basieren, bestehen Los Thuthanaka darauf, dass sie Teil einer lebendigen Tradition sind – nicht wie in der westlichen kapitalistischen Popkultur, wo alte Traditionen entdeckt, vereinnahmt und schliesslich zu Eigen gemacht werden.

Ein weiteres Zeichen für die Verbindung zur Andenkultur ist die Widmung des Albums an Chuqi Chinchay, eine zweigeschlechtliche Gottheit, die queere Menschen beschützt. Sie wird als verwandelbares Tier beschrieben, das in allen Farben bemalt ist. Los Thuthanaka ist ein magisches Album, das sich klar seiner eigenen Kultur zuwendet, sich von westlichen trennenden Werten abkehrt und als eine Art Tranceritual fordert und belebt.

Das Debütalbum von Los Thuthanaka ist ein anspruchsvolles Instrumentalalbum, tief verwurzelt in der Aymara-Kultur. Das Geschwisterpaar hinter dem Projekt hat es geschafft, ein antikoloniales Meisterwerk zu erschaffen, das einen in Trance durch eine queere Welt voller verzerrter Gitarren, Synth-Stabs, Samples von bellenden Hunden und DJ-Tags führt.