
Album der Woche: Michelangelo Dying von Cate Le Bon
In den neuen Songs von Cate Le Bon geht es um Schönheit wie um Verfall. Das siebte Studioalbum der enigmatischen DIY-Freak-Folk- und Art-Pop-Ikone ist ein Hörerlebnis, das von seinen vielen Ebenen lebt. Auch wenn Wiederholung und Chaos am Anfang als Nährboden dienten, sind daraus exquisite Kompositionen entstanden. von Mirco Kaempf
ADW Michelangelo Dying Cate Le Bon
Michelangelo Dying ist das siebte Studioalbum von Cate Le Bon, releast via Mexican Summer
"There is no reason. There is repetition and chaos”
Bereits das letzte Album Pompeii (2022) hatte etwas von einer zurückhaltenden Epik. Michelangelo Dying knüpft daran an: zehn Songs, die sich erst nach und nach entfalten, wenn man aktiv in sie eintaucht.
Cate Le Bon war schon immer eine eigenwillige Künstlerin. Ihr leicht distanzierter, fast schon stoischer Gesangsstil ist zu ihrem Markenzeichen geworden. Wo man sie anfangs fast in eine klassische Singer-Songwriter-Ecke gestellt hätte, hat sie in den letzten Jahren einen Soundwandel durchgemacht, der an David Bowie erinnert. Die Songs sind texturierter, schimmernder, und ihre Lyrics wirken sinnlich und entrückt.
Ursprünglich hätte das Album bereits letztes Jahr erscheinen sollen – und ganz anders klingen. Doch dann wurde Le Bon krank, ihre langjährige Beziehung zu Musiker Tim Presley zerbrach, und sie zog von der Wüste Kaliforniens zurück nach Wales. Sie schnitt sich die Haare ab, hörte Drone-Musik und schrieb – entgegen ihrer Gewohnheit – über die Liebe.
Auch wenn ein Kunstwerk immer ein Resonanzraum der eigenen Seele ist, wäre es zu kurz gegriffen, dieses Album nur biografisch zu lesen. Le Bon hat sich vielmehr geöffnet und in einen musikalischen Fluss geworfen. Die Songs sind nicht streng durchkomponiert, sondern scheinen aus dem Moment entstanden.