"Wir sind gut, aber nicht perfekt vorangekommen" - Lukas Engelberger

Lukas Engelberger (CVP) kandidiert am 25. Oktober für eine weitere Amtszeit in der Basler Regierung. Radio X schaut mit dem Vorsteher des Gesundheitdepartements auf den Wahlkampf und auf seine bisherigen sechs Jahre in der Basler Exekutive.  von Marcello Capitelli

(Interview vom 9. Oktober 2020)

Lukas Engelberger, der Wahlsonntag steht vor der Türe. Wie sehr ist dieser 25. Oktober bei Ihnen schon im Kopf?

Lukas Engelberger: Ein Wahlsonntag ist bei einem Regierungsrat fest im Kopf, das ist bei allen gleich. Wahlen sind immer mit Unsicherheit und letztlich auch mit Druck verbunden. Gleichzeitig ist ein solcher Wahlkampf auch eine Gelegenheit sich zu präsentieren, Menschen kennenzulernen und Diskussionen zu führen. Aber natürlich, im Kalender ist dieser 25. Oktober. fett eingetragen.

 

Was überwiegt im Moment? Die Vorfreude? Nervosität? Anspannung?

Es ist ein Mix von allem. Bei mir relativiert sich das etwas mit Covid-19. Ich bin im Moment im Alltag sehr gefordert. Das hat vielleicht im Wahlkampf den Vorteil, dass man nicht ins Grübeln kommt.

 

Schauen wir mal auf Ihre bisherigen 6 Jahre als Regierungsrat zurück. Rückblickend, was sind die Erinnerungen, die Momente, die bei Ihnen sofort hochkommen?

Zu Beginn meiner Arbeit als Regierungsrat habe ich das Geschäft von der Universitären Zahnmedizin übernommen. Das hat für mich auch eine familiäre Bewandtnis. Mein Grossvater ist aus der Innerschweiz hier nach Basel gezogen, um Zahnmedizin zu studieren und ist dann als Zahnarzt hier geblieben. Das war mein erstes Geschäft als Regierungsrat. Dann kam die Volksabstimmung, die Vorlage für das Universitäre Zentrum für Zahnmedizin Basel, welche wir durch das Parlament und das Volk gebracht haben und letztes Jahr haben eröffnen können. Das hat mich diese sechs Jahre hindurch begleitet und hat natürlich für mich noch den erwähnten familiären Bezug. Ich erinnere mich auch gerne an die Wiederwahl vor 4 Jahren. Ich war dazumal erst eine halbe Legislatur im Amt, daher war das eine etwas speziellere Situation. Ich bin 2016 im ersten Wahlgang solid durchgekommen. Diese zweite Legislatur ist stark im Zeichen von der Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft gestanden. Zum Teil erfolgreich, zum Teil auch nicht so erfolgreich.

 

Was war Ihre grösste Niederlage in Ihrer bisherigen Amtszeit? Wohl die geplatzte Spitalfusion?

Ja, das war schmerzhaft. Es wäre mir natürlich lieber gewesen, wenn die Fusion vom eigenen Kanton geschätzt und angenommen worden wäre. Ich glaube, es haben bei dieser Abstimmung auch viele nicht-spitalpolitische Überlegungen eine Rolle gespielt. Man hatte ziemliche Animositäten gegenüber Baselland. Das wurde zum Teil auch etwas befeuert von den Gegnerinnen und Gegnern. Es hat eine Missstimmung mitgeschwungen. Unangenehm. Schade. Aber man muss solche Entscheide auch akzeptieren, und jetzt müssen wir für das Unispital die Zukunft eigenständig, als Partner durchaus von anderen Spitälern, auch des Kantonsspital Baselland, planen, und da sind wir gut unterwegs.

 

Was war Ihr grösster Erfolg in diesen 6 Jahren?

Das Beispiel, welches ich vorhin erwähnt habe, die Zahnmedizin, ist für mich sehr bedeutsam. Aber auch die gemeinsame Spitalplanung generell, die gemeinsame Versorgungsplanung. Wir sind wirklich weit gekommen mit den gemeinsamen Überlegungen gemeinsam mit dem Kanton Basel-Landschaft. Fragen wie, was für Angebote brauchen wir für unsere Bevölkerung in Stadt und Land? Wie setzen wir das am besten gemeinsam um? Da haben wir grosse Fortschritte gemacht. Wir werden nächstes Jahr auch die gemeinsame Spitalplanung in Kraft setzen können, da sind wir gut unterwegs. Dann gibt es auch auf der Kostenseite erfolge: Natürlich sind wir, gerade als Stadtkanton, von den Kosten her hoch. Wir haben hohe Krankenkassenprämien und hohe Gesundheitskosten. Aber wir haben die Kostensituation in den letzten Jahren durchaus stabilisieren können.  Wir haben in diesem Prämienherbst zum zweiten Mal eine Nullrunde bei den mittleren Prämien. Der Durchschnitt der Leute wird nächstes Jahr also keine Erhöhung der Krankenkassenprämien haben, und das ist doch sehr erfreulich. Wenn man zurückdenkt, vor vier Jahren, vor sechs Jahren, hat das noch ganz anders ausgesehen. 

 

Wären Sie bei Ihrer Wahl 2014 zufrieden gewesen, wenn man Ihnen gesagt hätte, im Jahr 2020 ist der Kanton Basel-Stadt auf dem Stand wie jetzt?

Allgemein betrachtet, ist unsere aktuelle Situation in der Gesundheitspolitik ungefähr die, die man sich dazumal hätte ausmalen können. Wir sind gut, aber nicht perfekt vorangekommen. Man hatte natürlich nicht mit dieser Pandemie gerechnet und klarerweise ist das jetzt eine Situation, die schwierig ist, die sich aber vor sechs Jahren noch niemand hätte vorstellen können.

 

Diese Pandemie ist eine riesige Herausforderung. Nicht nur für Sie aber vor allen für Sie als Gesundheitsdirektor.

Die Pandemie fordert uns auf allen Ebenen, auch persönlich. Wir alle sind im Alltag, in unserem beruflichen Umfeld, in der Familie, neu gefordert. Wir in der Politik sind gefordert, und der Kristallisationspunkt einer Pandemie ist dann das Gesundheitswesen, das ist so. Ich darf hier aber auf sehr gute Unterstützung zählen im Regierungsgremium, im Team hier im Departement und auch in der Bevölkerung. 

 

Wie hat das bei Ihnen angefangen? Wann haben Sie zum ersten Mal vom Coronavirus gehört? 

Zum ersten Mal vom Virus gehört habe ich anfangs Jahres oder in den allerletzten Tagen des letzten Jahres. Wir dachten zuerst, das gibt vielleicht wieder etwas Ähnliches wie Sars oder die Schweinegrippe, höchstens. Die Informationen waren noch nicht so breit vorhanden. Das hat sich dann in der Vorfasnachtswoche bei uns enorm schnell beschleunigt. Da haben wir wirklich gemerkt, das Virus ist in Europa, in Italien und macht dort ernsthafte Probleme und es kommt auch zu uns. Und dann ging alles sehr schnell. 

 

Sehr schnell: Der Bund hat die ausserordentliche Lage beschlossen und alles heruntergefahren. Genauso schnell ging alles wieder auf und die Kompetenz, Corona-Massnahmen zu erlassen ging vom Bund auf die Kantone über und lastete plötzlich auf Ihren Schultern. Das ist schon ein grosser Druck, der dann plötzlich auf ihnen lastet.

Ja, wobei es nicht ganz so schwarz/weiss war. Wir haben in dieser Zeit von den massiven Einschränkungen im Frühling als Kantone eine Rolle gespielt, wenn auch vielleicht eine etwas weniger Prominente. Wir waren mit der Organisation und der ganzen Gesundheitsversorgung im Lead. Wir mussten die Spitäler organisieren und umgruppieren, sodass sie die Pandemie bewältigen konnten. Wir waren auch die ganze Zeit über im Gespräch mit dem Bund. Und dann, ja, hat sich der Bund schnell zurückgezogen. Das hat er aber sehr bewusst gemacht. Er wollte ein Zeichen setzen, und das war auch abgesprochen mit uns. Es war dann schon ziemlich herausfordernd, vor allem von der Seite der Medien her. Die Leute haben sich sehr an den Taktgeber Bund, Bundesamt für Gesundheit BAG, Berset und Koch gewöhnt. Jeden Tag eine Medienkonferenz mit neuen Charts und irgendwelchen Ansagen. Die Leute haben gemeint, dass die Gesundheitsdirektoren dies so übernehmen würden. Das war aber natürlich von Anfang an nicht die Idee. Wir sind ja auch nicht mehr in der ausserordentlichen Lage, sondern in der besonderen Lage. Da braucht es nicht mehr den gleichen Takt, und man will auch nicht mehr diese Krisenstimmung haben. Das hat einiges an Erklärungen und an Fragenbeantworten und Fragenaushalten gebraucht. Ich muss aber sagen, dass der Umgang mit dem Virus sich, auch in den Medien, gut eingependelt hat. Auch wenn die Zahlen nun wieder ansteigen. Natürlich gibt es zwischendurch Gehässigkeiten. Ich glaube aber, wir haben auch gelernt, uns kurzfristig auf Veränderungen einzustellen, die jetzt schnell kommen können. Darum bin ich auch recht optimistisch im Hinblick auf diesen Winter. Der Winter wird schwierig, wir werden höhere Fallzahlen haben und es werden wieder mehr Leute in die Spitäler müssen. Aber ich glaube wir können das bewältigen, wenn wir weiterhin auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen können. 

 

Gerade im Kanton Basel-Stadt hat das über lange Zeit gut funktioniert mit den Massnahmen, besser als zum Beispiel in Zürich oder in Genf. Hören Baslerinnen und Basler einfach besser auf das, was ihr Gesundheitsdirektor ihnen sagt?

Vielleicht hat das was, ich würde mir aber nicht zu viel darauf einbilden. Einerseits kann die Situation sehr schnell wieder kippen. Darum will ich jetzt nicht sagen, wir in Basel sind auf der Sonnenseite. Wir hatten in den vergangenen Wochen moderate Zahlen, sind auch heute noch im schweizerischen Vergleich tief. Aber das kann sich auch ändern. Darum sind wir auch weiterhin darauf angewiesen, dass Unterstützung und Verständnis in der Bevölkerung da ist und dass die Bevölkerung mitmacht. Ich glaube das ist der Schlüssel zum Erfolg. Bisher hat das gut geklappt. Ich bin sehr dankbar, dass diese Massnahmen und Empfehlungen gut aufgenommen und befolgt worden sind. 

 

Seit diesem Jahr sind Sie auch der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz. Das ist gleich im ersten Jahr eine Feuertaufe, wo so viel los ist. Macht das ihr Amt mühsamer oder spannender?

Beides, es ist sehr intensiv. Feuertaufe trifft es, ja. Ich kann aber auf eine gute Kollegialität zählen von den anderen Gesundheitsdirektor*Innen. Wir haben auch eine sehr gute Zusammenarbeit mit Bundesrat Alain Berset und seiner Equipe und bekommen Unterstützung vom Generalsekretariat von der GDK. Bisher ist alles recht gut gegangen.

 

Legen wir das Coronavirus mal ad acta und sprechen über den Wahlkampf. Vor sechs Jahren, als Sie in die Regierung gewählt wurden, war Ihre Wahl keine Überraschung. Jetzt, sechs Jahre später sieht es auch sehr gut aus für Sie. Sie gelten überhaupt nicht als Wackelkandidat. Kann überhaupt noch etwas schief gehen?

Es kann immer etwas schief gehen, gerade bei Wahlen. Darum würde ich mich mit Prognosen zurückhalten. Ich bemühe mich, meine Arbeit zu machen. Wahlkampf ist eine Möglichkeit, die eigene Arbeit zu erklären. Das ist dieses Jahr etwas schwieriger, da man etwas weniger Möglichkeiten hat vom direkten Kontakt an Veranstaltungen. Aber ich bin verhalten positiv für die Wiederwahl. 

 

Wieso sollten Baslerinnen und Basler Sie wählen?

Ich kann volles Engagement versprechen. Ich glaube, die Leute wissen bei mir auch, woran sie sind. Ich habe in den letzten sechs Jahren eine klare Linie verfolgt und möchte diese auch weiterverfolgen. Ich weiss, dass ich, gerade in der aktuellen Rolle als Gesundheitsdirektor und in der jetzigen Zeit nicht allen gefallen kann. Das kann ich auch nicht anstreben. Aber ich bemühe mich, meiner Verantwortung gerecht zu werden. 

 

Das Interview führte Marcello Capitelli