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Regierungsratswahlen BL: Kathrin Schweizer im Interview
Fünf Sitze, acht Kandidierende: Am 12. Februar wählt der Kanton Basel-Landschaft eine neue Regierung. Vier der bisherigen Regierungsrät:innen treten zur Wiederwahl an, darunter die amtierende Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer (SP). Nachholbedarf sieht sie bei Themen wie häusliche Gewalt und in der familienergänzenden Betreuung, der Bereich Cyber gilt für Schweizer als eine Herausforderung für die nächste Legislatur und Integration ist für sie ein Kernbestandteil der Sicherheitspolitik. von Claire Micallef
23.01.25 Kathrin Schweizer im Interview
Radio X stellt dir die acht Kandidierenden für den Baselbieter Regierungsrat vor.
Wenn Sie sich für unsere Hörer:innen mit einem Wort beschreiben müssten, welches wäre das?
Ich bin als soziale Stimme angetreten, deswegen: Sozialministerin.
Stichwort sozial, in Ihrem Video zu Ihrer Kandidatur sagen Sie, Sie wollen sich weiterhin für ein soziales Baselbiet einsetzen. Wie sieht dieses soziale Baselbiet aus?
Die letzten Jahre bis 2019 haben sehr viele Abbauprogramme das Baselbiet geprägt. Seit 2019 ist die finanzielle Situation etwas besser geworden, ebenso die parteipolitische Zusammensetzung von Parlament und Regierungsrat. Und ich konnte in der Sicherheitsdirektion einiges machen. Es geht um Gleichstellung, auch in der Familienpolitik. Wir sind daran, frühe Sprachförderung voranzutreiben, damit Kinder früher gut Deutsch lernen und es dann in der Schule einfacher haben. Das sind Akzente, die ich gerne setze.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Was konkret fehlt noch, damit das Baselbiet sozialer wird?
Ich glaube, das allergrösste Defizit haben wir in der familienergänzenden Betreuung. Im kantonalen Vergleich ist diese nur im Kanton Uri noch teurer, die Eltern müssen dort noch mehr zahlen. Hier hat das Baselbiet wirklich Nachholbedarf. Das ist der Regierung bewusst. Wir haben ein Projekt gestartet, das ich mit der Sicherheitsdirektion leiten darf. Darauf freue ich mich sehr.
Was sind für Sie bei einer Wiederwahl weitere Kernthemen in der nächsten Legislatur, neben der familienergänzenden Betreuung?
Als Sicherheitsdirektorin gibt es auch Sicherheitsthemen, bei denen man genau hinschauen muss. Zum Beispiel bei der häuslichen Gewalt, also die Istanbul-Konvention, die den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt ins Zentrum stellt. Hier haben wir bereits viel gemacht: Wir haben die Plätze in den Frauenhäusern verdoppelt und die Lernprogramme für gewaltausübende Personen ausgebaut. Aber wir müssen weiter dranbleiben. Das ist ein Thema, bei dem wir riesigen Nachholbedarf haben.
Sicherheitspolitik ist ein grosses Wort, brechen wir dieses mal herunter. Welche Punkte sind Ihnen für die nächsten vier Jahre sehr wichtig?
Wenn man von Sicherheitspolitik spricht, denkt man zuerst vielleicht noch an das Militär. Dieses ist beim Bund. Dann denkt man fest an die Polizei und an die Staatsanwaltschaft und vielleicht noch an das Gefängnis. Aber für mich ist klar, dass man Sicherheit weiterdenken muss. Es geht um Integration, damit alle an unserer Gesellschaft teilhaben können. Dies ist die allerbeste Prävention, die wir überhaupt leisten können. Und ich glaube, schlussendlich sind wir als Gesellschaft froh, wenn Prävention wirkt und wir nicht danach Leute bestrafen müssen oder es nach Delikten Opfer und Täter gibt, sondern wenn wir dies vorgängig verhindern können.
Ein allgegenwärtiges Thema und somit auch im Wahlkampf wichtig ist die Klimakrise. Sie schreiben auf Ihrer Website, das Baselbiet müsse in der Klimapolitik eine Vorreiterrolle einnehmen. Wie sieht diese aus?
Wir müssen jetzt unbedingt den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Im Parlament hat es verschiedene Vorstösse gegeben, dass es eine Pflicht gibt, Solardächer auf Neubauten aber auch auf Bestandesbauten erstellt werden. Hier gibt es riesigen Nachholbedarf. Auch habe ich den Eindruck, dass wir bei der Windenergie Chancen hätten, obwohl wir nicht die optimalsten Lagen haben. Hier müssen wir vorwärts machen, wie auch bei der Sanierung der Liegenschaften, damit weniger Öl und Gas zum Heizen gebraucht wird und man einfacher auf erneuerbare Energien umsteigen kann. Hier hat das Baselbiet wirklich einen grossen Nachholbedarf.
Wo sehen Sie neben der Klimakrise weitere Herausforderungen – allgemein für das Baselbiet aber auch konkret in der Sicherheitspolitik?
In der Sicherheitspolitik vor allem im Bereich Cyber. Das ist ein Deliktbereich, der teilweise wie hingenommen wird und das kann es einfach nicht sein. Da müssen wir wirklich nochmals besser werden. Die Strafverfolgung ist in diesem Bereich extrem anspruchsvoll, weil viele Tätern hinter dem Ural oder südlich der Sahara leben und ihnen wird man fast nicht Herr. Auch hier ist Prävention extrem wichtig, weil schlussendlich steht zu Beginn eines solchen Delikts meistens ein kleiner Fehler, den wir hier bei uns machen. Dass man diese Fehler verhindert, wäre ein grosses Ziel von uns. Ich glaube, da müssen wir sehr intensiv dranbleiben.
Cyber als eine Herausforderung in der Sicherheitspolitik. Was wäre eine Herausforderung allgemein für das Baselbiet in den nächsten vier Jahren?
Aktuell ist für mich die schwindende Kaufkraft ein grosses Thema. Was bedeutet die Inflation für die tiefen Einkommen? Was passiert mit unserer Gesellschaft? Wie können wir die Inflation abfedern? Die Baselbieter Regierung hat die Prämienverbilligung aufgestockt, weil die Krankenkassenprämien angestiegen sind, aber auch, weil wir einen Teil der Inflation damit auffangen möchten. Ich denke, in diesem Bereich müssen wir extrem sensibel sein und genau hinschauen, denn es ist schon ein wenig ein Pulverfass.
Werfen wir einen Blick über die Landesgrenze, und zwar auf das Verhältnis Schweiz / EU. Inwiefern ist dieses Verhältnis Ihrer Meinung nach wichtig für das Baselbiet?
Die Schweiz ist das Herz mitten in Europa und das Baselbiet ist der Kern dieses Herzens. Wir haben sehr viele grenzüberschreitende Kontakte, sei es von Leuten, die im Baselbiet arbeiten und in Deutschland oder Frankreich leben, aber auch unsere Bevölkerung bewegt sich ganz natürlich im Dreiland. Und wir leiden nun natürlich sehr unter dieser Situation, dass das Verhältnis zur EU nicht geklärt ist. Da müssen wir unbedingt genauer hinschauen und dies vorwärtstreiben. Ich kann mich erinnern, während der ersten Coronawelle hat es im Elsass wahnsinnig viele Kranke gegeben, die sich vor den Spitälern gestaut haben. Wir haben die ganz schlimmen Bilder gehabt. Als es darum ging zu helfen, war das erste Telefonat nicht zwischen Paris und Bern sondern zwischen Colmar und Basel. Die direkten Kontakte zu unseren Nachbarn sind extrem wichtig. Wir können unseren Nachbarn auch helfen, aber dafür müssen wir unbedingt unser Verhältnis als Schweiz mit der EU regeln und da steht noch etwas Arbeit an.
Zu Beginn des Gesprächs haben wir Ihre Akzente angesprochen, die Sie in Ihren vier Jahren als Sicherheitsdirektorin gesetzt haben. Welche sind für Sie die wichtigsten Akzente in dieser Zeit?
Ich habe grosse Freude, dass ich alle Regierungsgeschäfte durch das Parlament gebracht habe. Da war die Revision des Polizeigesetzes, bei dem zum Beispiel andere Kantone bis vor das Bundesgericht mussten und Referenden hatten und und und. Das [Amn. d. Red: Gesetz.] hatten wir gut vorbereitet, es wurde gut getragen und ist ohne Wortmeldungen durch das Parlament gegangen. Aber ich glaube, am meisten in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde das kantonale Integrationsprogramm, bei dem es ein Referendum gegeben hatte. «Braucht man das überhaupt im Baselbiet?» Und die Bevölkerung hat klar gesagt: «Ja, das braucht es.» Wir sind der einzige Kanton in der ganzen Schweiz, der nun die Legitimation der Bevölkerung hat. Dass wir vor das Volk mussten, war einerseits etwas anstrengend, aber nun hat es eine ganz andere Legitimation und das finde ich schon sehr gut.
Ich möchte noch auf den Wahlkampf zu sprechen kommen. Sie haben als einzige der amtierenden Regierungsrät:innen Smartvote ausgefüllt. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?
Als ich im 2019 das erste Mal angetreten bin, habe ich es ausgefüllt. Logisch, als Newcomerin. Nun hatte ich das gar nicht mehr so auf dem Radar, dass die Bisherigen dies vor vier Jahren nicht gemacht haben. Und in dem Sinn habe ich es einfach wieder ausgefüllt, es war nie ein Thema in der Regierung. Seither haben wir es besprochen und es uns freigestellt, aber ich glaube, die anderen machen es eher nicht oder sie werden es noch machen. Das weiss ich nicht genau. Mir ist wichtig, dass die Positionen klar werden. Mit einem Plakat sieht man nicht, was mir oder einem anderen Kandidaten / einer anderen Kandidatin wichtig ist, aber mit Smartvote kann man sehr schnell erfassen, wer wo steht und in welcher Frage er sich wie positioniert. Es hat viele Fragen und manchmal heisst es, es ist vielleicht etwas heikel wegen des Kollegialitätsprinzips, aber ich habe die Fragen angeschaut und finde, man kann die Fragen beantworten, ohne das Kollegialitätsprinzip zu verletzen. Und man kann immer noch die Positionen begründen und das finde ich ein wirklich gutes Tool, um zu erkennen, wo eine Politikerin oder ein Politiker steht.
In Ihrer Twitter Bio steht, Sie gehen sehr gerne ins Kino. Welchen Film haben Sie zuletzt im Kino gesehen?
Lacht. Ich war trotz Wahlkampf letzte Woche im Kino: Triangle of Sadness.