
Georgien: Kampf um die Erhaltung der Demokratie
Ein Bericht von Gesprächen mit jungen Kulturschaffenden aus Georgien von Dagmar Reichert
25.03.18 Info Georgien Kampf um die Erhaltung der Demokratie
Georgien: Kampf um die Erhaltung der Demokratie
In Georgien, dem kleinen europäischen Land in Süden des Kaukasus, gehen seit mehr als 3 Monaten täglich tausende Menschen auf die Strasse. Sie demonstrieren für Demokratie und fordern eine Wiederholung der Wahlen vom Oktober 2024 sowie die Freilassung politischer Gefangener. Wie ist die Situation aktuell und welche Chancen haben die seit mehr als drei Monaten andauernden Proteste? Wie geht es Menschen, die sich zusammen mit vielen anderen der zunehmend autoritären Entwicklung und der zunehmend anti-westliche Rhetorik engagieren?
Um sich ein Bild zu machen, sprach Dagmar Reichert, die Georgien seit Jahren regelmässig besucht, mit vier jungen Georgierinnen: Mit Ana Jikia, einer Künstlerin, die in Basel studiert hat und nun seit vier Jahren hier lebt; mit der Filmemacherin Elene Naveriani, die neben Tiflis auch Genf lebt und 2024 hat sie mit «Blackbird Blackbird Blackberry» den Schweizer Filmpreis gewonnen hat; mit Salome Shubladze, einer jungen Menschenrechtsanwältin, die in Tiflis für die NGO «Social Justice Center»arbeitet; und mit Nino (wirklicher Name geändert), einer bildenden Künstlerin und Aktivistin in Tiflis.
Im Gespräch mit den vier Frauen geht es um die gefälschten Wahlen vom vergangenen Herbst, um die Möglichkeiten des Regimes, Druck auf die Wähler:innen auszuüben und um Formen des Widerstands nach der Gleichschaltung von Judikative und Exekutive. Die Interviewten erzählen von den die täglichen Protesten in vielen Städten Georgiens und beschreiben, welche Bedeutung und welche Chancen sie dem breiten zivilen Widerstand in ihrem Land einräumen. Sie sprechen von der aktuellen Situation der georgischen LGBT+ Community und von der Bedeutung von Gemeinschaft, Austausch und Solidarität im Kampf für Demokratie, auch über Landesgrenzen hinweg.

Hintergrundinformationen und Links zu Themen, die in der Sendung angesprochen werden:
Nach den offiziellen Verlautbarungen stimmten bei den georgischen Parlamentswahlen im Oktober 2024 fast 54 % der Wähler*innen für die schon bisher regierende Partei, die Partei des Oligarchen Bidzina Ivanishvili (www.bloomberg.com/billionaires/).
Der Bericht der Wahlbeobachtung der OSZE (www.osce.org/odihr/elections/georgia) vermerkt zahlreiche Unstimmigkeiten, wie Stimmenkauf, Einschüchterung von Wählenden oder Betrug durch mehrfache Stimmabgabe. In einer Studie der georgischen Ilia State University werden die vielfältigen Strategien der Wahlmanipulationen im Detail beschrieben (https://civil.ge/wp-content/uploads/2024/11/A-Dozen-Daggers_-How-Georgias-2024-Elections-Were-Rigged_Gutbrod.pdf).
Ohne die Wahlfälschung hätte die regierende Partei bei weitem keine absolute Mehrheit erreicht. Sie war für liberale Regelungen für Unternehmen eingetreten und hatte für die Rückführung von Vermögens aus Offshore-Finanzplätzen nach Georgien Diskretion und Steuerfreiheit gewährt (https://jam-news.net/the-offshore-law-has-been-passed-in-the-third-reading-by-the-parliament-of-georgia-what-does-this-mean/). Der Bevölkerung hatte sie im Wahlkampf bessere Beziehungen zum mächtigen Nachbarn Russland versprochen und dabei Plakate der Zerstörungen in der Ukraine gezeigt.
Wegen der Unregelmässigkeiten erklärte die Staatspräsidentin die Wahl dann für ungültig und weigerte sich das neue Parlament zu eröffnen. Die Opposition boykottierte Regierung und Parlament. Beide verlangten Neuwahlen. Seither regiert die siegreiche Partei allein, verweigert eine Wiederholung der Wahlen und erlässt mit «ihrem» Parlament neue Gesetze. Besonders seit sie die Beitrittsgespräche mit der EU unterbrochen hat, protestieren tausende, an manchen Tagen hunderttausende Georgier*innen in verschiedenen Städten des Landes.
Eine gute Darstellung der aktuellen Entwicklung der Proteste liefert Civil Georgia (https://civil.ge/archives/666987).